Before, in and after the Wedding

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Kindermund

Bin mit meinen Söhnen auf dem Weg zum Fotografen. Der Fotograf, der auch alle Babybilder von ihnen gemacht hat. So Bilder, auf denen man als Paar glücklich lächelnd auf dem kuschligen Schafsfell sitzt und das Baby in die Mitte nimmt. Der Fotograf ist klug, denn er hat seinen Laden direkt neben dem Hochzeitsgeschäft. Zuerst die Hochzeitsfotos, dann die Babybilder. Normalerweise jedenfalls. Bei uns war’s ja anders. Das fällt jetzt auch einem meiner Jungs auf: „Papa, was ist eigentlich Hochzeit?“ fragt er vor dem Schaufenster mit den Rüschenkleidern. „Hochzeit ist“, erwidere ich unwillig, „wenn Mann und Frau sich sagen, dass sie immer zusammen bleiben möchten.“ Pause. „Hast du deswegen Mama nicht geheiratet, weil du wusstest , dass ihr es nicht miteinander aushaltet?“ Die Frage kommt nicht vorwurfsvoll sondern sachlich. Er versucht sich einen Reim auf das Durcheinander der letzten Jahre zu machen. Was soll ich ihm erzählen? Von all der schönen Zeit, die ihre Mutter und ich hatten, die romantischen Liebeserklärungen, die vielen Reisen, bis…na ja bis die Kinder kamen. Nicht eins, sondern gleich zwei auf einmal. Aber das würde ja heißen, dass die Kinder schuld sind. Und das, Lektion 1 für Trennungseltern, darf man den Kindern nie und niemalsnicht sagen. Haben wir einen Kurs für gemacht. Dafür hat’s nach der Trennung noch gereicht. Außerdem stimmts nicht. Ich habe mir nie vorstellen können, so wie meine Eltern, mein Leben lang mit einer Frau zusammen zu leben. Jetzt hab ich den Salat und drei Kinder und mehr. Und manchmal klappt es so auch ganz gut – so getrennt. „Hm“, antworte ich meinem Sohn, „so ungefähr.“ Mit der Antwort ist er zufrieden, ich auch.

Unter Männern

Nach solchen nervenzehrenden pädagogischen Herausforderungen suche ich manchmal die Ruhe und Stärkung durch kräftige Speisen. Der Wedding bietet ja nicht nur Restaurants aus aller Welt, sondern auch an, versteckten Ecken, noch deutsches Deftiges. Nix wie rin also. Und im „Fabea“ wird nicht nur deutsche Küche geboten, sondern auch ein deutscher Stammtisch. Vier Männer von Vierzig bis Siebzig am Samstag früh bei Bier und Kümmerling.  Ich studiere die Speisekarte, die so deutsch ist, dass sie sogar in Fraktur gesetzt wurde (übrigens immer in der falschen, aus England stammenden gotischen Typo). Drüben geht’s um Fußball. Und so sehr ich dem Koch danke für seine sublime austro-erotische Kreation 31 „Erdäpfel küssen Eier, dazu Gewürzgurke“, entscheide ich mich doch für den Klassiker „Kassler Nackenkamm mit Sauerkraut“. Am Stammtisch sind die Männer inzwischen bei der Verurteilung eines KZ-Aufsehers angelangt („Unmöglich, so was gibt es nur in Deuschland“. „Die DDR-Grenzer, die haben wirklich geschossen, die verurteilt niemand…“) Muss ja nicht stimmen, aber sie sind ja am Stammtisch, da hat jeder Recht. Und überhaupt: Schimpfen die Männer schon längst wieder über den Berliner Senat und die Grünen mit ihren Fahrradwegen, die sich wundern werden…. und so weiter. Was mich freut ist, dass keiner schreit, keiner den Platzhirsch macht,  und dass auch mal ein „kann man ja auch mal so sehen…“ dazwischen kommt. Mein Kassler ist auch schon da, ein ganzer Teller voll, ohne besondere Feinheiten, aber solide. Ich entschuldige mich bei dem armen Schwein, das für meine Gelüste sein Leben lassen musste und gehe beruhigt nach Hause, bis ich an einer Litfaßsäule hängen bleibe:

After the Wedding

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After the Wedding?

Was soll nach dem Wedding schon kommen?

Erstmal kommt der Wedding (schon seit Jahren).

Und dann kommt lange nix.

Lange

Und dann kommt Reinickendorf.

Ein Film über Reinickendorf?

Wie öde ist das denn?

Schönet Wochenende noch, wünsch ick Ihnen

9 Gedanken zu “Before, in and after the Wedding

  1. Bei dem Gedanken an einen Film über Reinickendorf schaudert es mich schon, Rolf! Brrrrrrr – was für eine fürchterliche Vorstellung.
    Im Fabea waren Micha und ich auch schon mal. Zu einem echten deutschen Frühstück mit Leberwurst und Hackepeter. 😉
    Auch dir nen schönet Wochenende,
    Susanne

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  2. Tja Rolf , sehr schönes Wortspiel mit der und dem Wedding…ich habe es verpasst und das ist vielleicht auch gut so, darauf mal in unsere deutsche Eckkneipe auf einen echten falschen Hasen…original deutsche Küche und sehr lecker, gekocht von einer Rumänin, aber was solls, beim Lieblingsitaliener steht ein Koch aus Eritrea in der Küche …solange die Küchenwelt sowenig deutsch ist bin ich noch guter Dinge 🙂 Grüsse von Jürgen

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  3. Lieber Rolf,
    wie immer sehr schön erzählt. Ich grübele noch etwas über den Subtext. Meine bissige (das kennst du ja schon) Interpretation wäre: Wer so heiratsresistent ist wie Du, der muss dann halt zur Strafe einsam in der Eckkneipe sein Kassler essen und dafür das Geschwätz eines echt deutschen Stammtisches in Kauf nehmen 🙂
    Schönen Sonntag Dir, Birgit

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  4. Wir waren erst vor zwei Tagen wieder in einem echten deutschen Brauhaus.
    Rechts neben uns ein langer Tisch, an dem sich Krawatten tragende Japaner Sauerbraten, Schweinshaxen, Knödel und Brauhausplatten schmecken ließen, links saßen Holländer, die mit ALT ihren Durst und mit Speckpfannekuchen ihren Hunger stillten.
    Scheint ihnen geschmeckt zu haben, denn die Teller waren beim Abräumen leer.
    Ich hatte übrigens Bratwurst mit Sauerkraut und meine Begleitung Frikadelle mit Bratkartoffeln.
    Ja, manchmal hat man so richtig Lust auf Deftiges.
    So, wie Oma und Mama gekocht haben.

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  5. Du hast Recht. Meine Mutter hat oft versucht von dieser 50er Jahre Kost weg zu kommen, und mal was
    Leichtes zu kochen. Aber wir Jungs haben immer das Altbekannte eingefordert, wenn wir zu Besuch waren.😀

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    • Genau so ist es.
      Ich liebte die Rouladen mit Kartoffelklößen und Rotkohl, von meiner Mutter natürlich alles selbstgemacht.
      Oder den in Butter gebratenen Hecht mit Petersilienkartoffeln (der Hecht wurde von meinem Vater geangelt und die Kartoffeln gab es aus dem Garten).
      Kalorien hin oder her, es schmeckte alles wunderbar nach Heimat und nach Zuhause.
      P.S.
      Von meiner Oma mochte ich die ebenfalls kalorienreichen Schlesischen Mohnklöße

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  6. Nee, man sollte Kindern nie sagen, dass sie Schuld haben – haben sie ja auch nicht. Dafür muss man keine Ratgeber lesen. Dass der Brautmodenladen auch „alles für“ Kerzen hat, stimmt mich nachdenklich. Von der Romantik gleich zum ewigen Abschied. Auf die Erdäpfel küssenden Eier würde ich auch lieber verzichten, deftige Küche mag ich aber schon.

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