Das Ehrenkleid

Ich sah ihn im EDEKA, in der kleinen Nische, in der man Kaffee und Kuchen bekommt. Ein älterer Herr, schmal, groß und aufrecht kam er mit seiner Tasse von der Theke und setzte sich zu seinem Begleiter. Er trug eine solide dunkelblaue Baumwolljacke die ihm gut stand. „Schick!“, dachte ich. „So will ich auch aussehen.“ Die beiden Deutschlandfahnen auf den Ärmeln störten mich nicht, im Gegenteil, sie hoben die Jacke aus dem alltäglichen „Canadian Goose“ oder sonstigen dunklen Daunenjackeneinerlei des Winters angenehm heraus. So was hatte ich lange nicht gesehen: Ein Parka! So was trugen Jungs in meiner Jugend; möglichst ausgeblichen und oliv. Besonders die, die nicht beim Bund waren oder nicht da hin wollten. Parkas waren immer gebraucht, billig und man musste nicht drauf aufpassen, denn irgendeinen Flecken oder Riss hatten sie sowieso schon. Träger mit langen Haaren und Bart verliehen ihnen eine lässig antimilitaristische Note und sie konnten mit ihnen dank der Kapuze unbeschadet auch im Regen auf dem Univorplatz handgetippte Flugblätter verteilen.
Ich weiß nicht, wo die Bundeswehr die Dinger damals verramscht hat, denn ich war Lederjackenträger, die andere modische Alternative, die in der Szene zulässig war. Aber wer heute so was will, muss natürlich online gehen. Es dauerte eine Weile, bis ich das Richtige bekam. Ich hatte vergessen, dass man einen Parka immer eine Nummer größer kaufen muss, damit er so richtig schlabbert und knautscht. Außerdem ist meine Heldenbrust anscheinend breiter als die eines normalen Soldaten, so dass ich das Ding zwei Mal zurückschicken musste. Da merkt man, dass ich nicht gedient habe.
Die Reaktionen auf mein modisches Wagnis waren sehr unterschiedlich. Ich mochte die Jacke sofort. Mit ihrem herausknöpfbaren Teddy-Futter war sie wunderbar kuschelig und die Taschen, in denen ich meine Hände vergraben kann, sitzen sehr weit unten (weil zwei Nummern zu groß), so dass man automatisch den leicht nach vorne gebeugten , schlurfigen Gang von damals bekommt, wenn man sie da reinsteckt. „Mit dem Ding gehe ich mit dir nicht auf die Straße.“, sagte mir die Mutter meiner Söhne barsch, als ich das Paket ausgepackt hatte, und sie um einen Gesamteindruck bat. Ihr kamen die Deutschlandfahnen seltsam vor. Es gibt ja jetzt Politiker, die tragen sie am Revers. Menschen meines Alters schauten freundlich und überrascht. „Ach, ein Parka!“, und mein Kollege, der Zeitsoldat war grüßt mich nur noch mit „Herr Kaleun“, was Kapitänleutnant heißt und uns zu einem sehr schönen Gespräch über den Film „Das Boot“ brachte, den wir beide sehr mögen. Aber eigentlich ist die Anrede natürlich defätistisch, denn nach meiner Besoldungsstufe wäre ich Fregattenkapitän. Das klingt nach „Master und Commander“ und ich sehe mich jetzt als Westentaschenausgabe von Russel Crowe. Aber in Wirklichkeit habe ich niemanden zu kommandieren und das ist auch gut so. Und kriegstauglich bin ich mit diesem Uniformstück auch nicht: Die Bundeswehr verwendet inzwischen moderne Jacken aus Kunstfaser mit Regenmembran.

Ein seltsames Gefühl bereiten mir nur die Werbemails, die ich jetzt von bw-online bekomme. Nicht nur, weil das so aussieht, als bekäme ich Post von der Bundeswehr, was in diesen Tagen ja nichts Gutes heißen kann, sondern weil ich jetzt Teil einer ganz seltsamen Kundschaft bin. Da werden mir mit dem Spruch „Stark durch den Frühling“ Marschrucksäcke und Kampfstiefel angeboten. Und zur „Ostereiersuche 2025“ sind Eiserne Rationen, Thermohosen und Handschellen zu finden. Was ich im Angebot vermisse sind Aufklärungsdrohnen. Denn was Kleines zum Fliegen wollte ich meinen Söhnen in der nächsten Zeit sowieso schenken. Und sie würden die Ostereiersuche deutlich vereinfachen.

Quelle: quantum-systems.com

12 Gedanken zu “Das Ehrenkleid

  1. Gern gelesen, lieber Rolf. Sich heute in alte Bundeswehrparka zu hüllen, hat was von Zeitreise. Die Erinnerungen an die wehruntauglichen Parkaträger der 1960-er Jahre hast du ja auf leben lassen. Sie waren mir allemal lieber als heutige Überzeugungstäter.

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  2. Lieber Kafka, ich kann sie verstehen. Militärische Kleidung mag ich durchaus auch. Ich bevorzuge aber Marina Militare. Das ist die italienische Marine. Warum. Schauen sie bitte einmal der Kommandant. Ebenfalls ein U Boot Drama. Der Kapitän des Bootes rettet belgische Seeleute. Warum er das getan hätte? Weil wir Italiener sind, seine Antwort. Für mich sagt diese wahre Geschichte einfach alles.

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    • Marina Militare klingt gut und ist bestimmt schicker als die Bundeswehr. Können sie mir da eine Bezugsquelle nennen? Wenn ichs recht überlege, habe ich im laufe der Jahre auch einiges von europäischen Armeen getragen: ein französischer Kaban, ein gestreiftes sowjetisches Muschel- Unterhemd, eine schwedische Jacke, die die Taschen auf dem Rücken hatte und eine dicke graue Schweizer Armeejacke um die mich damals einige beneideten. Und eigentlich sind weiße T-Shirts eine Erfindung der US Navy.

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  3. Ich habe den Parka damals gehasst! Meine beiden Brüder steckten vorher drin und ich wollte eigentlich was schickes. Oder chices? Na wie auch immer, ein klein wenig hat der Parka wahrscheinlich dazu beigetragen ein kleiner Revoluzzer zu werden. War also nicht alles schlecht damals…

    Einen Parka könnte ich mir heute auch wieder vorstellen, die Flaggen würde ich aber mit Antifa Patches überdecken. Da wäre mir sonst die Gefahr zu groß mit einem steifen, rechten Arm gegrüßt zu werden.

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    • Ich hatte an runde Patches mit dem Yoga-Zeichen gedacht. 😀Aber das Zeichen wird derzeit von den Hindu-Nationalisten in Indien missbraucht. On meinem Viertel leben einige Inder, ich will da keinen falschen Applaus.

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  4. Lieber Rolf, mit diesem Artikel hast du dich selbst übertroffen!
    In meiner Generation hatten die Frauen noch keine Tarnfleck Kleidung an. Heute soll das ja durchaus modern sein. So modern bin ich anscheinen nicht.
    Grüße von Susanne

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    • Liebe Susanne, danke für die Blumen. 🌷 Vielleicht sollte ich Modeblogger werden. 😄 Und stimmt, ist mir danach auch aufgefallen: Militärklamotten war in den 80er fast ausschließlich ein Jungsding. Weiß nicht, wann sich das geändert hat.

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