Herrentage

Als ich den Friseurladen Almaya betrete, sagt mir keiner „Guten Tag“. Ein Friseur ist mit einem. Kunden beschäftigt und summt leise die Worte des melancholischen arabischen Liedes nach, das durch den Raum dudelt, der andere sitzt auf einem Frisierstuhl und schneidet sich selber den dunklen Bart. Ich war lange nicht mehr hier. Der Laden hatte lange zu. Jetzt hat er mit neuen Leuten und neuer Einrichtung wieder eröffnet. Alles etwas protziger als vorher. Dunkle Stühle mit dicken Metallbeschlägen aus billigem Gold-Imitat. Eine Mischung aus Art-Deco und World of Warcraft. Ich setze mich auf das üppige Ledersofa und warte bis der junge Barbier mit seinem Bart zufrieden ist. Zeitungen gibt es nicht mehr, stattdessen liegt ein Zettel mit QR-Code auf dem Tisch. Endlich zieht er sich seinen Frisierumhang vom Hals und bittet mich auf seinen Stuhl. Endlich das Gebrumm der elektrischen Schneidemaschine auf meinem Kopf und die Hoffnung auf eine kleine Massage mit kühlem Haarwasser zum Abschluss. Endlich bin ich wieder in meinem Viertel, bei Männern, die es für ein bisschen Geld gut mit mir meinen. Gestern war ich auch unter Männern, beim Herrentagsausflug in Zühlsdorf in Brandenburg. Nur fünf Kilometer jenseits des Berliner Autobahnrings, aber in einer anderen, sonnenbeschienen, feindlichen Welt. Dabei hatten wir Glück. Nach einem langen Gezeter mit meinen Jungs waren wir mit unseren Freunden mit nur einer Stunde Verspätung zu unserer Radtour aufgebrochen, hatten uns auf dem unbefestigten Weg durch ein Sumpfgebiet über Stock und Stein gequält und tatsächlich eine offene Gaststätte an einem Bahnhof gefunden, vor der laut lachende Männer in Gruppen auf Bierbänken gegrillte Haxen und Würste aßen. Ein Vatertagsidyll. Aber Freude wollte bei uns nicht aufkommen. Nicht nur, weil es keine Pommes gab, auf die die Jungs sich während der Fahrt gefreut hatten, nicht nur, weil es natürlich in einer Brandenburger Vatertagskneipe kein vegetarisches Menü gab, wie mein Freund es erhofft hatte, sondern weil wir zuvor die breit ausgebaute Dorfstraße unter einem Spalier von AfD-Wahlplakaten entlangfahren mussten. Jeder dritte Mann hier wird im Juni zur Europawahl rechtsradikal wählen. Nur einigen von ihnen sah man an, dass sie sich von unserer Gesellschaft verabschiedet hatten. Grimmig dreinblickende Kerle mit Bärten oder Tatoos, oder beidem. Wenn man es romantisch sehen wollte, wozu man als Städter auf Landpartie neigt, würde man sie als Waldschrate oder Holzknechte sehen wollen, die nun mal hier am Rande der Schorfheide leben. 30 Kilometer stadteinwärts würde man sie korrekt als „Menschen die als Mann gelesen werden wollen“ bezeichnen. Sie selber schreiben sich ihr Mannsein lieber in Fraktur auf die Haut, damit es keine Diskussionen gibt. Aber erschreckender war die Vorstellung, dass auch die andern, die mit dem Rad oder mit dem Kremserwagen angereist waren, die scherzend wie kleine Jungs mit der Bedienung flachsten und von ihr genauso bestimmt und jovial zurechtgewiesen wurden, ihr Kreuz in einem Monat bei den Nazis machen werden. Es gibt in der Verfilmung von „Cabaret“ mit Liza Minelli eine Szene in einem sonnigen Biergarten, in den sich die Berliner an einem Sommertag verlustieren. Und in diesen Biergarten kommt eine Gruppe HJ in Uniform und singt ein deutsches Lied. Der ganze Biergarten applaudiert ihnen. Die AfD singt nicht. Aber sie bekommt stillen Applaus, der auf dem Wahlzettel sichtbar werden wird.

Der arabische Friseur hat sein Werk vollendet. Der arabische Sänger klagt immer noch aus den Lautsprechen, mäandernd wie ein gregorianischer Choral. Der schüchterne Lehrjunge fegt die Haare zusammen, die ich lassen musste. Meinem Kopf geht es besser. Nur das Finale fehlt noch. Ich deute auf meinen Kopf und sage „Haarwasser“. „Waschen?“, fragt mein Friseur. „Nein, Parfüm“, erkläre ich. „Ach so, Aftershave“, lacht er, besprüht mich mit etwas Kühlem, das gut riecht und massiert es in meine Kopfhaut ein. Es tut gut, verstanden zu werden.

Herbei, herbei zum 1. Mai!

Ja, ja, überall regt es sich in Berlin. Aus allen Ecken bricht etwas Lebendiges hervor. Wohin man auch schaut. Ich brauche deshalb heute nicht zu einer 1. Mai-Demo gehen, um mir Menschen mit bunten Transparenten anzuschauen. Die Revolution findet auf meinem Balkon statt. Vor zwei Wochen habe ich in einem Buch ein Tütchen mit Sonnenblumensamen gefunden. Ich verstecke gerne Erinnerungsstücke als Lesezeichen in Büchern. Muss schon sechs Jahre alt sein. Ein Werbegeschenk des „Sunflower Backpacker Hostels“ am Bahnhof von Pisa. War mit dem Motorrad da. Lange her. Eigentlich zu alt für Samen. Da ist bestimmt alles tot. Aber versucht habe ich es trotzdem. Schön verteilt auf drei kleine Tontöpfe, in denen ich in den vergangenen Jahren immer mal Blumensamen mit meinen Jungs vorgezogen habe, damit sie erleben, wie neues Leben entsteht. Und was soll ich sagen? Vor meinem Fenster stehen jetzt zwei grüne Sprösslinge, schief wie der schiefe Turm von Pisa. Recordi di Italia, oder so ähnlich. Ich habe einen alten Bleistift als Stütze reingesteckt, damit sie auch „zum Lichte empor“ wachsen. So viel Revolutionsromantik muss am ersten Mai sein. Im dritten Topf tat sich lange nichts. Dann habe ich noch Ringelblumensamen vom letzten Jahr dazu gemischt. Das hat dem müden Sonnenblumenkern anscheinend einen Kick gegeben. Jetzt wächst beides in einem Topf. Das wird wahrscheinlich wieder Streit unter den Brüdern geben, denn jeder Topf ist mit bunten Glitzersteinen markiert. Und die, die nur eine Sonnenblume im Topf haben werden sich natürlich beschweren, dass ihr Bruder mehr in seinem Topf hat. Wenn es sie überhaupt noch interessiert.
Ich bin noch weit entfernt von einer grünen Revolution im Privaten, aber es bewegt sich was, das mich gleichzeitig beruhigt. Und ich hoffe, bei euch ist das auch so. Ich werd heute Abend mal meine Tochter anrufen, wie es in Neukölln war. Aber wahrscheinlich war sie nicht auf der Demo, sondern im siebten Himmel. Frühling halt.

Mann und Maus

Es ist halb elf nachts und es ist still. Vor einer Stunde sind die automatischen Jalousien runtergegangen. Der bellende Husten aus dem Kinderzimmer meines Ältesten hat sich gelegt und das letzte „Ping“ von meinem Handy hat mir die Nachricht gebracht, dass die Mutter meiner Söhne gut da angekommen ist, wo sie dieses Wochenende hin wollte. Ich bin allein. Die Seele meiner Mutter ist auch nicht bei mir, so allein bin ich. Die Stille eines einsamen freistehenden Einfamilienhauses flirrt in meinen Ohren. Oder ist es das Rauschen meines Blutes? Die elektrische Spannung, die meine unnützen Gedanken erzeugen? Oder ist es die Spannung, die meine Gedanken elektrisch aufläd? Ruhig bleiben! Zum Kühlschrank gehen und sehen, dass niemand hier an ein Bier für mich gedacht hat. Ich bin ja auch kein Babysitter, ich gehöre ja zur Familie. Ist da was mit dem Kühlschrank? Dieses leise wimmernde Geräusch. Wie ein schleifender Keilriemen. Haben Kühlschränke Keilriemen? Oder ist es der Geschirrspüler? Oder der Brandenburger Wind, der an den Jalousien rüttelt? Habe ich die Türen abgeschlossen? Ist da jemand? Einen Augenblick bereue ich, dass ich mein Fahrrad nicht in den Schuppen gestellt habe, als ich kam. Jetzt ist es zu spät. Warum denke ich jetzt an mein Fahrrad und nicht an meine drei arglos schlafenden Kinder? Hatte mir nicht vor zwei Tagen ein Freund von einer Einbruchserie in seiner Nachbarschaft erzählt? Von umherziehenden Räuberbanden sprach die Polizei, um ihn zu beruhigen. Das hätte System und würde sich nicht gegen ihn persönlich richten. Welch ein Trost. Nach draußen zu schauen, traue ich mich nicht mehr. Und das Geräusch ist wieder da. Es klingt müde, kläglich und unendlich traurig. Kaum wird es etwas schneller, ebbt es schon wieder ab. Um wieder langsam und kraftlos anzufangen. Wie ein müder alter Sysiphos. Nie habe ich etwas hoffnungsloseres gehört. „Gagari“, denke ich. Nicht Gagarin sondern Gagari, darauf hatte mein Jüngster bestanden. Gagari, Cosmi und Goldi. Die drei Mäuse, die meine Söhne vor zwei Jahren von ihrer Mutter geschenkt bekommen haben. Was war das plötzlich für ein Leben in der Bude. Ein Jauchzen und Kosen und „Guck mal“. Das Laufrad im koffergroßen Käfig mit den drei flotten Mäusen stand nicht still. Es jaulte bis nachts wie ein Turbolader. Aber das Herz von Mäusen schlägt schnell. Und unsere Lebensspanne wird in Herzschlägen gezählt. Da gehts den Mäusen wie den Menschen. Ich weiß nicht wen es zuerst dahinraffte, und wer die Maus war, von der mein Ältester nach Hoffen und Bangen im Vorzimmer des Tierarztes Abschied nehmen musste. Ich weiß nur, dass diese Maus, die jetzt in dem viel zu großen Käfig, aus Langeweile oder Einsamkeit noch einmal versucht das eingerostete quietschende Laufrad zu drehen, dabei einen Ton traf, der mich so traurig machte als käme er von einem traurigen, heruntergekommenen Geiger.
Im Käfig ist jetzt Ruhe. Dafür wird das Husten von oben wieder stärker. Ich glaub, ich muss mal schauen gehen.

Die Herrlichkeit des Lebens

Die Tiefgarage ist ein langer Schlauch. Das Ende kann ich nicht sehen, denn ich habe keine Brille dabei. Mir ist kalt, ich habe nur einen Bademantel an und an meinen Beinen klebt eine nasse Sporthose. An der Hose hängt ein dicker, schwarzer Plastikknopf, der eigentlich entfernt wird, wenn man an der Kasse bezahlt. Ich habe Hose nicht gestohlen. Trotzdem werde ich den Knopf nicht los. Die Frau neben mir sagt: „Ich war noch nie in einem Bademantel in einer Tiefgarage.“ Was tun wir hier? Keines der Autos gehört uns. Kinder spielen in den Parklücken. Es sind nicht unsere Kinder. Als wir die schwere Brandschutztür öffnen, riechen wir den Rauch des Feuers. Vom Strand her klingen die Trommeln. Es ist die Osternacht und es ist kein Traum.

Als Franz Kafka vor hundert Jahren an die Ostsee reiste, kämpfte er mit seiner Tuberkulose und fand seine letzte Liebe, Dora Diamant. Das alles ist wunderbar erzählt und anrührend verfilmt gerade in die Kinos gekommen.

Als ich hundert Jahre später an die Ostsee reise, habe ich meine Badehose vergessen. Das ist kein Schicksalsschlag und keine Tragödie, aber es führt zu filmreifen Szenen. Wenn man ein Wochenende in einem Hotel mit Schwimmbad und warmem Solebecken verbringen will, sollte man angemessene Badekleidung tragen. Das ist heute nicht anders als zu Kafkas Zeiten, glaube ich. „Soll ich mitkommen?“, fragt die Mutter meiner Söhne, als ich ihr gestehe, dass ich den ersten Urlaubstag nicht mit ihr im warmen Wasser sondern im Gewerbegebiet unseres Badeortes verbringen muss. Das weise ich als erwachsener Mann natürlich zurück. Ins Kaufhaus Stolz (heißt wirklich so) muss ich alleine gehen. Anscheinend bin ich dort nicht der einzige Badehosenvergesser, denn die Ständer mit Bademoden für den Herrn sind gut sortiert. Gleich finde ich ein himmelblaues Modell in Größe L, das gut zu meiner Augenfarbe passt. Ich lege die Hose ganz unten in meine Tasche, um sie am Abend als Überraschung auszupacken. Wir lassen uns durch den Tag treiben und kommen mit dem kostenlosen Bäderbus und viel Glück überall hin. Kafka soll, wenn man dem Film glauben will, mit dem Motorrad und seiner Liebe auf dem Sozius an der Küste entlang geknattert sein, aber die Zeiten sind bei uns vorbei. Ich muss mit anderen Qualitäten beeindrucken: Es kommt der Abend und mit ihm mein großer Auftritt. Für den Besuch im Solebad streife ich mir mit großer Geste die neue Hose über die schlanken Lenden. Doch gefühlt ist das Ergebnis nicht ganz so berauschend wie gehofft. Um ehrlich zu sein: Es spannt an mehreren Stellen erheblich. Das kann nicht an meinem Körper liegen, den ich gerade durch eine Haferflocken-Diät auf Idealmaß gebracht habe. „Du hast eine italienische L gekauft, deutsch ist das Größe 152, das ist was deine Söhne brauchen…“ Der milde Spott meiner Begleiterin treibt mich in die Dunkelheit, zu Fuß durch öde Plattenbausiedlungen, vorbei an schäbigen Sammelgaragen zurück zum Stolz, denn der hat nur noch eine halbe Stunde auf. Ich verlasse den Laden mit einem dunklen, geräumig geschnitten Modell mit drei Streifen an der Seite, mit dem ich als Sportplatzplatzwart eine gut Figur machen würde. Im Solebad schwebend fasse ich an meine Seite und spüre etwas Hartes. Dort ist noch die Diebstahlsicherung. Die Verkäuferin muss sie in der Hektik kurz vor Ladenschluss vergessen haben. „Mama take this Badge from me. I can’t bear it anymore.” Das ist nicht Kafka sondern „Knockin on heaven’s door”. Am Ostersonntagmorgen suchen meine Jungs bei ihren Großeltern Ostereier, Jesus steht von den Toten auf. Ich laufe ich noch einmal durch die sozialistische Einöde der Vorstadt um mich von dem Kainsmal befreien zu lassen und sehe keinen brennenden sondern einen blühenden Busch. Am Nachmittag, im Solebad, baden mehrere junge Frauen nackt. Sie nehmen sich ihr Recht.

Frühlingsgrüße

Wenn man will: Jeder Tag ein Drama mit vier Akten, oder fünf. Zu viel im Kopf, um es aufzuschreiben. Ist ja auch immer das Gleiche. Oder ich mache immer das Gleiche draus: „Flyn over the same old ground, what have we found? Same old fear…“ Mein Motorrad hab ich verkauft. War nicht leicht, nach 15 Jahren. Hab dem Händler noch die Regenplane mitgegeben, damit es nicht im Regen steht auf dem fremden Hof. Gibt auch nette Sachen. Zoobesuche mit den Jungs. Jeder einzeln, jeder anders, aber alle begeistert. Morgen zum dritten Mal. Ich bin reich gesegnet. Mein Lieblingsvogel ist der nachdenkliche Haubenkakara. Ach ja: Ich habe noch einen Lieblingsvogel. Es ist ein Geier. Hat mich beeindruckt, wie er, unbeeindruckt von den Besuchern, sein tägliches Stück Aas zerfetzt hat. Muss halt jeder tun, was er am besten kann.

Ich lese, was ich so unterwegs finde. Schreiben tue ich jetzt gerne wieder auf Papier. Sinnlose Sachen, aber schön geschrieben. Soll beruhigen, tut es auch manchmal. Habe in meiner Sammlung einen russischen Füller mit goldener Feder gefunden, einen Авторучка aus St. Petersburg. Schreibt unregelmäßig, kratzig, wie eine alte Feder. Macht großen Spaß. Meiner Tochter schreibe ich kleine Nachrichten mit russischen Wörtern, seit ich das kyrillische Alphabet auf meinem iPhone gefunden habe. Kleiner Geheimcode. Wir verstehen uns gerade gut.

Ach ja: Ist bei euch auch die Jetpack-App abgestürzt?

Es geht weiter

Schon oft habe ich mir auf diesem Blog Sorgen um ihn gemacht, dachte, er wäre ein Opfer der Klimakrise geworden und habe ihm sogar ein aufmunterndes Gedicht auf den Weg gegeben. Es sah wirklich schlecht für ihn aus, von draußen: die Farbe abgeblättert, die Auslage verstaubt und dann war auch noch auf einmal ein Ladenfenster leer geräumt. Aber man soll sich nicht von Äußerlichkeiten täuschen lassen. Und vor allem: Man soll nicht immer das Schlimmste denken. Und überhaupt: Wenn du denkst, es geht nicht mehr… Genau. Und so ist es auch hier ganz anders als befürchtet. Weder sind böse Kapitalisten im Spiel, noch wollen Hippster die Bude übernehmen. Es geht einfach weiter mit dem alten Laden, dem Laden mit den Madenautomaten, der so was wie ein Markenzeichen des Wedding geworden ist, und der bürgerlich „Angelhaus Koss“ heißt. Der Laden, an dem ich morgens immer auf dem Weg zur Arbeit vorbei komme. Und jetzt habe ich mich sogar getraut mal rein zu gehen und für unser Kiez-Magazin zu fragen, wies denn geht, und so. Und so einiges mehr. Und dabei habe ich viel darüber erfahren, dass Angler ganz anders sind als man denkt, dass das Internet nicht alle kleinen Läden kaputt macht und ich habe seit langem mal wieder einen sehr entspannten Menschen kennen gelernt: Alexander, den Mann hinter dem Madenautomaten. Der Herr der Fliegen, sozusagen.

Wird es weitergehen mit dem Angelhaus?

Ja, es wird weitergehen. Wir mussten einen Teil des Ladens räumen, weil das Haus grundsaniert werden muss. Es steht auf einer „Torfblase“. Das Gebiet wurde früher zum Torfstechen genutzt. Zuerst dachte man, dass das Haus komplett geräumt werden muss, aber jetzt könnten wir theoretisch wieder zurück in den alten Laden. Aber wir haben uns dafür entschieden, den Teil unseres Geschäftes, den für die Wetterkleidung, zu räumen und zu renovieren. Jetzt ziehen wir langsam hier rüber. Bis wir fertig sind, wird es noch eine Weile dauern. Aber wir werden wieder unser volles Sortiment anbieten: Angelgeräte, Wetterkleidung und Pokale.

Für einen leerstehenden Laden in der begehrten Gegend gibt es wahrscheinlich viele Interessenten.

Bei uns hat jeden Tag jemand nachgefragt, ob er den Laden haben kann. Ich habe auch nichts gegen die Veränderung im Kiez. Es gibt hier einen guten Zusammenhalt und man hilft sich untereinander.

Gibt es denn noch genug Kundschaft für einen so speziellen Laden?

Wir sind einer der wenigen Angelläden in Berlin, die noch durchhalten. Viele sind schon weggestorben oder haben aufgegeben. Unsere Kunden kommen aus ganz Berlin und Brandenburg.  Der Beratung wegen. Aber auch, weil man eine Angelrute oder eine Spule in der Hand gehabt haben muss, bevor man sie kauft. Und wir sind sehr bekannt in Anglerkreisen in Ost- und Westberlin. Als die Mauer aufging, wussten die Angler aus dem Osten genau, wo sie hingehen mussten.

Wandern nicht immer mehr Kunden ins Internet ab?

Wahrscheinlich. Aber wir kriegen auch junge, neue Kunden, die sich YouTube-Videos angeschaut haben und dann genau die eine High-Tech-Rute haben wollen, die sie im Internet gesehen haben. Mit einem Stock, einer Schnur und einem Korken, wie wir damals angefangen haben, fängt heute keiner mehr an. Alle wollen Raubfische angeln und an verschiedenen Plätzen angeln. Mir ist das recht. Wenn die Youngster 300 Euro für eine Rute anlegen wollen, können Sie die bei mir bekommen. Aber wir haben auch günstigere Angebote.
Einen echte Veränderung haben auch die Wetter-Apps gebracht. Wenn die Kunden sehen, dass es am Wochenende regnet, bleiben sie zu Hause.

Gibt es denn auch noch die schweigsamen älteren Männer, die sich alleine an den Kanal stellen – das alte Angler-Klischee?

Zum Angeln muss man nich Schweigen. Das ist ein Gerücht. Aber ja, es sind meistens Männer, die angeln. Durch alle Schichten hindurch. Arbeitslose, Sportler oder Ärzte. Aber es werden auch immer mehr Frauen. Gerade in der Coronazeit sind mehr Frauen gekommen. Die meisten angeln aber mit Ihrem Partner.

Kann man in Berlin überhaupt noch angeln?

 Es wird einem schon schwer gemacht. Man muss eine Prüfung ablegen, um einen Fischereischein zu bekommen und braucht eine Angelkarte von dem Pächter des jeweiligen Gewässers. Für den Plötzensee werden seit vergangenem Jahr keine Angelkarten mehr ausgegeben. Man kann sich natürlich auch an das Ufer des Nordhafens stellen. Das mache ich auch manchmal. Aber wenn es Starkregen gibt, sterben die Fische in den Kanälen oft massenhaft, wegen der Abwässer, die in die Kanäle abfließen, wie neulich im Landwehrkanal. Dann ist der Kanal voll mit toten Fischen. Und in Brandenburg ist es im Sommer an den Seen schwer noch ein ruhiges Plätzchen zu finden, wegen der Badetouristen. Da kann man sich dann nur noch mit einem Boot weiter helfen. Angler haben eben keine gute Lobby.

Sie sind jetzt 63 Jahre alt. Wie lange werden Sie weiter machen?

Weiß nicht. Ich weiß nur: Wenn ich hier aufhöre, bin ich in einem Jahr tot. 

Und den Madenautomaten, wird es den auch weiter geben?

Ja, er klemmt nur immer öfter, weil irgendwelche Leute Plastikscheiben oder Sonstwas in den Münzschlitz stecken. Und wir füllen ihn nur noch am Wochenende. Die Maden leben ja. Und bei der großen Hitze verpuppen sie sich schneller. Dann haben sie statt Köder irgendwann ganz normale Stubenfliegen in der Schachtel. Das sind oft ganz dicke Brummer.

Das Wort zur Wurst

Mit meinem Sohn sitze ich in der S-Bahn. Ich hab ihn bei seiner Mutter abgeholt und wir fahren zu mir. Es hat gedauert, bis wir losgekommen sind. Erst kam keiner aus dem Bett, dann warf der Jüngste seinen Ball auf die Hecke des Nachbarn und wir mussten die Leiter holen, um ihn wieder zu finden, und dann mussten wir kurz vor dem Bahnhof umdrehen, weil ich bei dem ganzen Durcheinander mein Handy und er seine Fahrkarte vergessen hatte. Jetzt ist Sammstagmittag und wir sind fast da. Mir ist flau. Die Woche war grauenhaft, die Nacht kurz. Eigentlich gehen wir wenn die Jungs zu mir kommen immer zum Döner, damit sie mal was Ordentliches zu Essen bekommen, nach all dem gesunden Zeug bei ihrer Mutter. Aber einen Döner schaff ich heute nicht. Aber Currywurst geht immer. „Magst du ne Currywurst?“, frage ich den Zwölfjährigen. „Kenn ich nicht, Currywurst. Was is n das?“, antwortet das große Kind. Heiliger Vater! Gesternabend noch hat mir mein Sohn eine Urkunde präsentiert: Bester im Wissenswettbewerb Heureka, und jetzt das! Was lernen die denn in der Schule in Brandenburg? Dass sie Sonne um 12 Uhr im Süden steht musste ich ihm auch erklären (Er hatte schon die Kompass-App angetippt). Wenn die mal in die große Stadt kommen, sind sie völlig aufgeschmissen. „Currywurst ist das, was die Leute gegessen haben, bevor es Döner gab.“, definiere ich aus dem Stehgreif. „Willste mal probieren? Wir sind gleich in Gesundbrunnen, da gibt es die beste Currywurst vom Wedding.“ Zum Glück habe ich den kulinarisch experimentierfreudigeren meiner Söhne dabei und wir steigen unterwegs aus, irren durch den riesigen Umsteigebahnhof (heute geht nichts einfach) über den zugigen Bahnhofsvorplatz zur „Currybaude“. Doch was ist das? Die Bude hat doch immer auf, Tag und Nacht, Sonn- wie Feiertags. Aber nicht heute. An herunter gelassenen Rollos klebt der Zettel „Urlaub bis 22. Februar“. Gibt`s sowas? Urlaub für eine Currybude? In Berlin? Die treue Kundschaft wollte es wohl auch nicht glauben, und hat einen Zettel daneben geklebt:

Aber hilft ja nix. Jetzt muss ich mein Versprechen halten. Döner wär einfacher, denn richtige Curry-Buden gibt es wirklich nicht mehr so viele. Man kann natürlich auch eine Currywurst in einer Döner-Bude bekommen. Aber davon rate ich ab. Da bruzzeln die Würste nicht liebevoll auf der Platte, sondern werden ahnungslos in die Fritteuse geworfen und saugen sich mit Fett voll. Tödlich. Zum Glück hat vor einem Jahr in der Müllerstraße eine neue Bude aufgemacht. Die „Curry-Keule“ wird von den Söhnen des Kroaten betrieben, der sein jugoslawisches Restaurant ein paar hundert Meter stadtauswärts aufgegeben hat. Da ist jetzt ein Vietnamese drin. Und da wo die Curry-Keule jetzt ist, war vorher ein christlicher Buchladen. Es tut sich was im Viertel. Der Keulen-Wirt begrüßt uns herzlich in seiner kleinen warmen Stube, die gerade leer ist. „Zwei Mal Curry mit Darm und Pommes für hier.“, erwidere ich seinen Gruß. „Und ne Molle für den Großvater von dem Kleenen?“, macht der Mann sich bei mir unbeliebt. Seh ich so schlecht aus? Heute ist echt nicht mein Tag. Mein Sohn sitzt schon erwartungsfroh am Tisch und schaut hypnotisiert auf den Bildschirm, der unter der Kneipendecke hängt. Noch nicht mal den Schal hat er ausgezogen. Aus den Augenwinkeln seh ich, wie der Wurstmaxe zwei kalte Würstchen vom Bratblech nimmt und in die Fritteuse wirft. Eigentlich wäre das ein Grund zu gehen. Aber das war ja mal ein Raum, in dem das Wort Christi verkündet wurde. Und hat mir nicht einer meiner Jungs vor Weihnachten angewidert „dieses komische Buch“ geschenkt? Eine Schulbibel, die er von der Religionslehrerin geschenkt bekommen hat. Und habe ich nicht die ganzen Rauhnächte darin herumgestöbert? Und so spricht der HERR zu mir in meiner Not: „Wenn wir Bedenken haben, davon zu essen, sind wir vor Gott nicht weniger wert; und wenn wir davon essen, sind wir vor Gott nicht mehr wert.“ (1. Korinther 8, 7). Also sind wir geblieben. War gar nicht so schlecht, sagt mein Sohn. Und ich hab mein Bier dazu getrunken, mich danach erstmal eine Stunde aufs Bett gelegt und den lieben Gott einen guten Mann sein lassen.

Trostpflaster

Wenn der Himmel grau ist und der Regen beständig nieselt, wenn die Wege, die du gehst die gleichen sind, die du schon seit Jahren läufst, dann ist es Zeit mal genauer hinzuschauen.
Ist das, was du jeden Tag mit Füßen trittst nicht ein wahres Wunderwerk? Ist das Grau, das sich auf den Straßen deines Viertels breit macht nicht ein Gemisch aus tausend Farben, ein Mosaik aus eitel Edelstein? Millionen Jahre sind die „Großsteine“, „Katzenköpfe“ oder „Kopfsteine“ vor deiner Haustüre alt. Sie waren das Blut der Erde, ihre brodelnde Glut , sind gestocktes Magma aus dem Erdinneren und jetzt steinhart und unverrückbar: blauschwarzer Basalt, rot gemusterter Prophyr, roter und grauer Granit und die Grauwacke verrät ihre Farbe selber. Ihre wilden Zeiten sind vorbei, und doch sind sie bunt und schön. Das solltest du dir zum Vorbild nehmen. Seit mehr als 100 Jahren sind sie in Berlin, liegen da, ohne sich zu beklagen. „Am Grunde der Moldau wandern die Steine…“ heißt es bei Berthold Brecht. Die Berliner Steine sind nur einmal gewandert: Vom schlesischen Steinbruch bis nach Berlin. Seither trampeln wir über sie hinweg, und sie bleiben liegen. „Das Große bleibt groß nicht, und klein nicht das Kleine…“ geht es bei Brecht weiter. Das stimmt. Auch die großen Steine gehen kaputt, wenn Bomben drauf fallen, oder Panzer darüber rollten, oder wenn sie rausgerissen werden, damit Räder schneller rollen können. Aber dann macht man kleine draus und setzt sie in das Pflaster der Gehwege, das typische Berliner Mosaik und wenn sie auch da auseinnander gehen, werden sie mit Beton vermischt und die gleiche Farbenvielfalt taucht in den Gehwehgplatten wieder auf. Sie sind nicht unter zu kriegen.

Was können wir also von dem Kopfsteinpflaster lernen? Das Liegenbleiben, das geduldig Sein und dass man die schönsten Sachen sehen kann, auch wenn man den Kopf hängen lässt.

Und noch etwas können uns die Steine lehren: Auch wenn nicht mehr das alte Feuer in einem kocht. Für einen Tanz auf dem Vulkan reicht es allemal (Unter Berlin gibt es tatsächlich unter all dem Dreck und Sand und Eiszeitgeröll einen erloschenen Vulkan, wer hät‘s gedacht?). Also bin ich in die U-Bahn gestiegen und tanzen gegangen. Tut auch gut gegen den Winterblues.

Ludmilla Seefried-Matejkowa „Tanz auf dem Vulkan“ Nettelbeckplatz, Berlin-Wedding Material: Grauer und roter Granit; Foto: Wikipedia CC-BY-4.0

Bitte halten Sie sich fest…

…während der Fahrt – fordert mich die Stimme im BVG-Bus nach jeder Haltestelle auf. „Please hold on tight during the ride“ säuselt die Trans-Frau, die bei den Berliner Verkehrsgesellschaft seit ein paar Jahren die Ansagen spricht, verführerisch in hauptstädtisch überperfektem Englisch hinterher. „Hold on tight to your dreams“ war ein ELO-Hit in meiner Jugend. Die Träume sind vorbei. Jetzt bin ich da, wo ich nie geträumt hätte hinzukommen. In Berlin. Hier gibt es eine Trans-Frau als Ansagerin und jede Menge Verrückte, aber auch Straßen so schlecht, Busse so alt mit einer Federung so hart, dass man von jedem Gullydeckel umgeworfen wird, über den der Bus rumpelt. Dit is Berlin. Und überhaupt: Hab ich je davon geträumt Samstagmorgen um halb acht im 125er vom Kutschi nach Frohnau zu fahren? „Nee! Nee! Nee!“, schrien Ton Steine Scherben in „Mensch Meyer“. Die sangen vom Fahrgastaufstand im „29er, kurz vor Halensee“. Da wollt ich dabei sein, oder gleich ins Georg von Rauch Haus im Bethanien. Aber den 29er gibt’s nicht mehr und im Bethanien spuken die Gespenster. Und jetzt ich, im Omnibus! Seit meinen qualvollen Zeiten als braver Fahrschüler unter lauter Rabauken auf der Rückbank des Schulbusses, betrete ich Busse nur noch, wenn ich nicht anders wegkomme. Und pünktlich sind sie in Berlin sowieso nie weil sie im Stau stecken und wenn die Fahrt in Richtung Brandenburg geht, glaube ich sowieso nicht, dass da irgendein Bus fährt. Und wenn, dann ist er gerade weg und der nächste kommt in zwei Stunden…. Heute klappt aber alles. Trotz S-Bahn-Streik. Nach zwei Stunden, geruckelt nicht gefahren, komme ich vor der Schule im Speckgürtel an, die ab Sommer die neue meiner Zwillinge sein soll. Tag der offenen Tür. Helle, neue Räume, selbstgebackene Waffeln und Zwillings-Mädchen mit Zahnspangen und weißen Kitteln, die stolz ein seziertes Schweineherz präsentieren. Kleine Französischlehrerinnen mit roter Baskenmütze, die Bilder aus Bergerac zeigen. Meine Söhne landen beim klobigen IT-Lehrer, der Flugsimulatoren mit Kampfjets präsentiert. „Sollen wir in der Schule Fertigkeiten lernen, die auch für unsere Landesverteidigung nützlich sind?“ ist ein Panel in der Aula. In der Eingangshalle kann man Golf lernen. Sind das die Perspektiven für meine Jungs? Es ist das begehrteste Gymnasium weit und breit. Deshalb fahren wir auch noch weiter nach Oranienburg. Auch hell, auch modern, keine Waffeln, dafür Pizza und wieder eine kleine Französischlehrerin, die einen Schnupperkurs anbietet. Der Biologielehrer lässt ein Schweinehirn sezieren. Meine Jungs sind orientierungslos und haben die Nase voll. Unsere Nachbarn sagen, dass sie gleich noch auf die antifaschistische Demo gehen wollen. Hui! Hätte ich gar nicht gedacht. Ich dachte, die sind in der FDP. Oranienburg ist eine Stadt mit einer KZ-Gedenkstätte, aber eben auch Brandenburg. Aber es kommen immerhin so tausend Leute auf den Zug vom Bahnhof über die Hauptstraße zum Schloss. Die Genossen der SPD lassen die Fahne mit den drei Pfeilen wehen. Ich erinnere mich an meinen linken Sozialkundelehrer: „Die Eiserne Front“, das letzte Bündnis der Demokraten, um Hitler zu verhinderten. Die SPD hat halt nichts mehr, außer ihrer Tradition. Wir kommen nicht bis zum Kundgebungsplatz vor dem Schloss, wo die roten Fahnen wehen. Einem meiner Söhne reicht’s. Seit wir losgegangen sind, quengelt er rum, dass er nach Hause will. Klar, zwei mal Zukunft an einem Tag, und dann eine Belehrung vom Vater über die dunkle Vergangenheit ist ein bisschen viel. Als wir zu ihm nach Hause kommen repariere ich noch schnell das Fahrrad, dann muss ich los. Bei den Jungs kann ich keinen Frieden mehr stiften. Der letzte Bus geht heute um kurz vor Fünf. Nächstes Wochenende fährt die S-Bahn wieder, aber dann streikt die BVG.

Was sonst noch so passiert ist

Vorgestern wars kalt, heute ist es nicht mehr so kalt. Das ist etwas, was ich mit Gewissheit sagen kann. Vorgestern war es sogar sehr kalt. Da saß ich mit meinen Jungs zum ersten Mal im Berliner Olympiastadion und wir schauten uns eine Trauerfeier an. Danach gab es ein Fußballspiel. Und der Westwind blies durch das Marathontor. Warum haben die Nazis da eine Lücke in dem schönen Oval gelassen? Wo doch in Berlin immer Westwind ist? Oder meistens. Auch im Winter. Wenn nicht gerade arktische Winde vom Nordpol kommen. Weil ihnen die Menschen schon immer egal waren. 42 000 saßen im Olympiastadion und froren -wegen den Nazis. Und noch ein paar 10 000 froren am Brandenburger Tor, auch wegen der Nazis. Die auf der Straße haben protestiert, die im Stadion haben geweint. Gestandene Männer schluchzten, weil ihr Präsi gestorben war. Einfach so, mit 43. Bernstein hieß er, aber nicht Leonhard sondern Kay. Deswegen wurde auch nicht gegeigt sondern gesungen: „Nur nach Hause gehen wir nicht“ auf die Melodie von „Sailing“. Rod Steward hätts auch nicht besser hingekriegt. Und kalt wars, sagte ich schon, zugig, aber warm ums Herz wurde es einem, nicht nur weil meine Jungs so begeistert waren, von allem, was sie sahen, sondern wegen der Leute. Leute, die man sonst nur schweigend und geduckt in der U-Bahn trifft, sangen, aufrecht. Und statt Kerzen gab es ein einsames Bengalo. Stilvoll. Lauter sympathische Leute da, sogar die Gegner aus Düsseldorf haben mitgeheult. Hätten auch alle am Brandenburger Tor stehen können, standen aber in der Ostkurve. Und dann ist das Spiel 2:2 ausgegangen. Das war fair. Fair ist ein schönes Wort. Hört man selten in letzter Zeit. Fair ist, wenn man sich streitet, und dabei weiß, dass der andere anders ist, aber auch Respekt verdient. Und wenn man sich an die Regeln hält.
Und deshalb sind auch alle ordentlich zurück gegangen aus dem Stadion in die S-Bahn. Und die S-Bahn hatte Sonderzüge, damit alle schnell weg kamen. Und keiner hat gerempelt und mein Jüngster hat auf dem Weg zur Bahn zwischen all den Bratwurstständen noch einen Schalverkäufer gesehen. Und dann wollte er unbedingt einen Schal. Keinen blau-weißen von Hertha, sondern einen rot-weißen vom FC Bayern München. Da habe ich mich kurz gefragt, von wem er das hat. Aber seine Mutter, die natürlich auch mitgekommen war, obwohl ich gesagt hatte, dass Fussball Männersache sei, und die an alles gedacht hatte, nur nicht an ein Taschntuch für ihre laufende Nase, hat ein gutes Wort für ihn eingelegt und gesagt, dass das nur so eine Phase sei. Und dann hat er hat ihn gekriegt, den Schal, hat ihn aber gleich weggesteckt, weil das wollten wir dann doch nicht riskieren, in einem Zug voller Hertha-Fans einen Bayern-Schal anziehen. Man weiß ja nie, wie die so drauf sind.