Die erste Woche in Berlin war ich wie in Watte. Meine Kinder waren da, die Stadt war da, aber das ging mich alles gar nichts an. Berlin war einfach eine weitere Stadt, nach Hong Kong, nach Battambang, Phnom Penh. Gut, dass ich hier die Schilder lesen konnte und dass es ein Tropenmedizinisches Institut gibt. Vielleicht war es ja auch nur der Reisedurchfall, der mich so durcheinander gebracht hat. Vielleicht war es aber auch schwer, wieder aus der anderen Welt zurück zu kommen, in der ich zwei Wochen gelebt habe – aus der Welt in meinem Kopf.
Nein, es war keine Erholungsreise. Zwei Wochen mit mir und meinem Kopf allein in einer Welt voller Rätsel – vom Flughafen Terminal bis zur U-Bahn Station mit 15 Ausgängen. Und keinen mit dem ich darüber sprechen kann. Ok, die ersten Tage war meine Tochter da, oder ich bei ihr in Hong-Kong. Das war ja der Anlass der Reise. Sie hat mich von Flughafen abgeholt (gottseidank!) und hat mir ihre Stadt gezeigt, ihre Uni, ihre Plätze. Sie hat mir über die erste Panik hinweg geholfen, als die Kreditkarte nicht funktioniert hat und hat mich mitgenommen über die Dächer der Stadt. Aber dann hat sie mich überredet weiter zu fliegen, hat mir ein Hotel gebucht. „Papa, du musst das machen, du ärgerst dich sonst, dass du dich nicht getraut hast.“ Gute Tochter. Ich hab die Nacht vorher nicht geschlafen und fand mich morgens um vier in einem schäbigen Toyota-Taxi mit Lenkradschaltung und durchgesessen Kunstledersitzen auf dem Weg zum Flughafen. Aufgewacht bin ich in der kambodschanischen Variante des DDR-Tränenpalasts in Siem Reap. 10 grimmig dreinschauende Polizisten, die meine Devisen wollen und von denen einer nach dem anderen einen Stempel in meinen Pass drückt.
Und dann begann das Schweigen und das Staunen.
Geblieben ist ein Bild von Hummern, schimmernd blauen Hummern mit leuchtend orangen Streifen. Sie schwammen mit verbundenen Scheren in bunten Plasitikschüsseln vor dem großen Markt von Phnom Penh, dieser gigantischen, grellgelben Art-Deco-Krake mitten in der Altstadt, die mich direkt an ein Überbleibsel aus dem Film „Metropolis“ erinnerte und ein bisschen an Istanbul. Normalerweise faszinieren mich ja Vögel und Krustentiere finde ich abstoßend. Aber die hier waren frisch und schillernd und vereinten in sich die ganze Farbe und die Vielfalt des Landes. Und Vögel gab’s nicht. Ich habe versucht ein Foto von den Tieren zu machen, hab die teilnahmslose Verkäuferin brav gefragt, ist aber nichts geworden, wegen der Blasen, die der Belüftungsschlauch in der Schüssel aufgewirbelt hat. Sie gehen hier gut um mit ihrer Ware, bis sie, ja was? Gegrillt wird, gekocht, getrocknet? Die Kambodschaner machen wunderbare Sachen aus allem. Aber ich kann sie ja nicht fragen. Ich hätte den Hummer in die Hand nehmen müssen. Hätte mich wirklich einlassen müssen auf’s Bildermachen- oder aufs Essen. Aber ich hab nur geknipst. Später las ich im Reiseführer, dass der Fischmarkt ein beliebtes Ziel für Fotografen ist. 24000 Kilometer geflogen, allem Mut zusammen genommen für ein misslungenes Foto von einem Krebs, das schon 1000 andere gemacht haben?
Ja, das ist es jetzt erst einmal. Ich bin wieder da und ich habs geschafft. Alles andere liegt woanders. Ich kanns jetzt nicht beschreiben, aber ich bin sicher, dass die Bilder davon da sein werden, wenn es um mich herum mal wieder dunkel wird.