Erste gute Nachricht für dieses Jahr: Der Brautmodenladen hat aufgegeben. Ich wäre sonst noch in Versuchung gekommen.Die Kundschaft vom KiKi hat ihre Methoden, um sich auch noch 2G schön zu saufen. Das ist eine Moschee. Hoffentlich geht das hier mit der Integration im Wedding wirklich weiter. Die billige asiatische Schneiderin hat einen bezahlbaren neuen Laden gefunden. An der anderen Ecke des Wedding, aber immerhin.Ist nicht grün, aber ein bisschen Liebe braucht doch jeder – und wenn es von sie Stadtreinigung kommt. Der rot-grüne Senat hat seine erste Feuerprobe bestanden. So wenig Böller war nie.Das war ein großer Hinterhof. Jetzt steht hier ein neues Haus. Hoffentlich sind die Mieten bezahlbar. Rollerfahren ist ein beliebter Zeitvertreib für Ghettokids und Hippster. Vielleicht lernen sie ja im neuen Jahr, die Dinger nicht gerade an den engsten Stellen hinzuschmeißen.Das ist der neue Fassade der „Mühlenstube“, einen Raum für kontrollierten Drogenkonsum. Vorher war hier eine Spielhalle. Den Nachbarn waren die Zocker lieber als die Junkies. Wollen wir hoffen, dass wenigstens die Dealer weg bleiben.Im Urban Jungle darf man sich nicht unterkriegen lassen.
Das Jahr 2022 hat für mich an der Ostsee begonnen. Auf dem “Pfad der Besinnung“ in Puttbus. War gut, mal für ein paar Tage weg zu sein. Wieder zurück begrüßt mich ein trüber, regnerischer Sonntagmorgen. Frau Coroco hat mich vor Weihnachten auf einen Kris Kristofferson-Trip geschickt. Jetzt bin ich wieder auf den “Sunday Morning Sidewalks“ gelandet. Aber mit etwas Abstand finde ich ein paar grüne Flecken auf den grauen Gehwegen. Ich wünsche euch, dass auch ihr im neuen Jahr ein paar grüne Flecken der Hoffnung findet.
Die ganze Zeit hat sie geleuchtet, Tag und Nacht, im leeren Café. Sie war mein Hoffnungsschimmer in trostloser Zeit, mein Stern am Abend. Diese biedere Stehleuchte. Sie hat durchgehalten, während ich verzagte. Die Blumen im Schaufenster vertrockneten, mein Mut sank. Aber sie schien weiter. Sie ist das Markenzeichen des kleinen Flop-Cafés bei mir um die Ecke und eine, die nie den Glauben daran verliert, dass es weiter geht. Lange hatte ich geglaubt, dass mein zweites Wohnzimmer, mein Kaffeehaus seine zweite große Krise nicht übersteht. Die erste war vor einem Jahr über das ältere syrische Ehepaar herein gebrochen, als ihr Sohn, der in unserer Straße die Flop-Bar aufgemacht hatte, und für seine Eltern das Café, ganz überraschend starb. Blutvergiftung, munkelten die Nachbarn. Zu spät gemerkt. Keiner konnte ihm mehr helfen. Dabei war er erst Anfang 30. Ein Monat war zu, dann standen alten Leutchen wieder auf den Beinen. „Ich bin froh, dass Sie wieder da sind.“, sagte ich zu dem zurückhaltenden Herrn mit dem weißen Schnurrbart. „Und ich danke Ihnen, dass Sie wiedergekommen sind.“, erwiderte er leise mit erlesener Höflichkeit. Er hat in Syrien wahrscheinlich etwas anderes gemacht als Schalen mit Humus und Kibbe zu verkaufen. Er ist langsam und mit seinen Gedanken oft woanders. Ich könnte mir ihn gut in einer Bibliothek vorstellen. Seine Frau sitzt am Tisch in der Ecke, wenn sie nicht in der Küche ist. Sie spricht kein Deutsch, aber sie hat aus ihrem Café eine Art syrisches Jugendzentrum gemacht. Immer sitzen junge Leute um sie und reden, während die jungen Deutschen an den anderen Tischen in ihre Laptops tippen. Manchmal trippelt ihr Mann zum Tisch, will dabei sein, steht aber etwas verloren rum. Die beiden sind rührend miteinander. Dann kam Corona. Von einem Tag auf den anderen war zu. Und kein Hinweis darauf, dass es weiter geht. Kein Schild, kein Eintrag bei Facebook (das wohl noch vom Sohn eingerichtet wurde und seit Jahren unverändert ist) keine Telefonnummer. Nur die Lampe war geblieben, wie das ewige Licht in der Kirche, das immer leuchtet und die Gemeinde an die Wiederauferstehung glauben lässt. Irgendwann fand ich das Cafe auf der Seite von „Berlin hilft“, kaufte einen Gutschein und schenkte ihn meiner Tochter, die in dem Cafe viele Tage verbracht hat, als sie bei mir wohnte. „Hast du gesehen? fragte ich sie, als sie gestern endlich mal wieder vorbei kam, „Unser Cafe hat wieder auf.“ „Ja“, sagte sie nebenbei, „bin schon dran vorbei gelaufen.“ Den Gutschein hatte sie schon vergessen. Ist ja schon vier Wochen her. Eine Ewigkeit in dem Alter.