
Mein Osterei fand ich schon vor einer Woche im Briefkasten. Es war eine Überraschung, über die ich mich sehr gefreut habe: Matthias hat es nach drei Jahren geschafft, den dritten Band seiner Geburtstagsanthologie für Charles Bukowski „BUK 100“ herauszugeben. Damit hatte ich nicht mehr gerechnet. Das Heft ist wieder sehr schön geworden. Mit Texten von Bukowski himself , von seinen Weggefährten und von seinen modernen Adepten über das Schreiben und über Bukowskis Philosophie (Ja, er hatte eine, er hat auch klassische Musik gehört – es war nicht alles Sex and Drugs and Races, das war seine Kunstfigur Hank Chinaski). Die Geburtstagsausgabe mit ihrem groben Papier und dem einfachen Layout fühlt sich ein wenig so an wie ein echter Bukowski, der viele seiner Gedichte und Geschichten in den 1960ern erstmal in billig produzierten Underground-Magazinen veröffentlicht hat. Auch ein Bierdeckel mit einer Bukowski- Kalligrafie als Lesezeichen gehört zur liebevollen Ausstattung der Ausgabe. Passt!
Bestellt werden kann die dritte Ausgabe hier:
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Und noch ein Osterei habe ich gleich darauf gefunden – ich hatte es mir schon lange selber ins Nest gelegt: Nach seinen zwei ersten „BUK 100“- Heften, hatte Matthias mich gebeten, einen Text über mich und Bukowski zu schreiben. Und tatsächlich gibt es etwas, was den bitteren Poeten und mich verbindet: Der Geburtsort. Wir sind mit ziemlich genau 50 Jahren Abstand im gleichen kleinen Fachwerkstädtchen am Rhein geboren. Und hier ist der Text dazu:
Die Bukowski-Therapie
Es hat lange gedauert, bis ich Hank Chinaski begegnete. Erst als wir beide gleich alt waren, so Mitte 50 fing ich an, seinem Leben zu folgen. Aber dem echten Bukowski bin ich viel früher über den Weg gelaufen, oder sagen wir besser: Ich hätte ihm über den Weg laufen können – vor mehr als 40 Jahren, Im Mai 1978 in Andernach am Rhein. Er besuchte seine Geburtsstadt und ich ging dort zur Schule. Vielleicht sind wir uns wirklich begegnet, wer weiß? Für einen 17-Jährigen sehen alle Männer über 50 gleich aus. Andernach war damals eine Stadt mit einer alten Stadtmauer, einem Gymnasium für Jungen, einem für Mädchen und mit einer großen „Landesnervenklinik“, einem Haus für Menschen, die mit dem Leben draußen nicht klar kamen und in dem schon mein Großvater starb. Wen man bei uns sagen wollte, dass jemand verrückt war, dann hieß es: „Der gehört nach Andernach.“ Charles Bukowski gehörte nicht nach Andernach. Seine Bücher standen nicht in der Bibliothek, und im Englischunterricht lasen wir Stücke von Edward Albee. Bukowski war ja auch nicht verrückt. Er ist aus dieser Stadt abgehauen, so bald er konnte.
Viel später, in Berlin, ziemlich zur gleichen Zeit als ich die Bekanntschaft mit Hank Chinaski und mehreren Nervenärzten gemacht hatte – von denen einige sehr nette Kerle waren – hilft mir Hank nicht verrückt zu werden. Mein Psychiater verzieht leicht angewidert das Gesicht, als ich ihm von Bukowski erzähle. „Destruktiv, reduziert, altes, unbefreites Männerbild.“, ist sein Kommentar. Er versteht nicht, dass Hanks Geschichten für mich entspannender sein können als die Pillen, die er mir verordnet.
Aber warum kann gerade ein dirty old man mir helfen, mich in meinem bürgerlichen Leben zurecht zu finden? Vielleicht, weil er so aus der Zeit gefallen ist. Weil es Hank egal ist, wie er aussieht und welchen Eindruck er auf andere macht. Weil seine Welt überschaubar und seine Bedürfnisse klar sind. Wenn ich die Geschichten lese, fällt die Last der Welt von mir ab. Ich denke nicht mehr daran, was andere Menschen über mich denken könnten, wenn sie in meine Wohnung kommen, die nicht staubfrei ist. Ich kümmere mich nicht mehr um die Flecken, die vielleicht auf meiner Hose sein könnten und ich mache mir keine Gedanken darüber, wie ich korrekt auf Frauen zugehe. Weil es solche Gedanken bei Hank nicht gibt. Es gibt nicht die Frage, ob man den Müll in die richtige Tonne geworfen hat und ob man damit die Welt ein Stück besser gemacht hat. Es gibt nur Müll. Und er liegt in seiner Wohnung rum und er betrachtet ihn, beschreibt ihn, ohne dass er sich groß Gedanken darüber macht. Er schuldet der Welt nichts und er verlangt nichts von ihr. Er will nichts richtig machen, will die Welt nicht retten. Er will einfach nur über den Tag kommen, ohne dass er zu viele Nackenschläge abbekommt. Hanks kleiner Kosmos in South Hollywood, das Leben zwischen Post Office, Bars und Rennbahnen erscheint mir fast schon als Sehnsuchtsort. Eine Welt in die ich mich gerne flüchte, wenn ich in der wirkliche Welt von heute, einer Welt voller Selbstoptimierer und Instagram-Junkies, die Orientierung zu verlieren drohe. Bukowski bringt mich runter, wenn die Nerven flattern. Bei Woody Allen hat Humphrey Bogart in „Mach’s noch einmal Sam“ den Part des Lebensberaters für einen Stadtneurotiker übernommen. Bei mir ist es Hank. Er ist meine Beruhigungspille in aufgeregten Zeiten. Aber ich muss aufpassen, dass ich keine Überdosis davon nehme.
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