Aus Chemie und Wahnsinn II

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© Susannehaun.com

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Als meine Wohnung blitzte und spiegelte und meine Hände brannten, fielen mir die Frauen ein. Sie standen schon einige Zeit in meinem Schlafzimmer, ohne dass ich gewusst hätte, wohin damit. Sie warteten. „Eine wartet immer“, sagte Charles Bronson zu Claudia Cardinale am Ende von „Spiel mir das Lied vom Tod“. Aber bei mir waren es gleich drei. Zwei waren ziemlich kopflos, die Dritte sah sehr geduldig aus. Ich hatte sie auf dem letzten Kunstsalon von Susanne Haun kennengelernt und war gleich von ihnen fasziniert. Ich musste sie haben. Aber als ich sie hatte, wusste ich nicht, wohin damit in meiner Wohnung, in meinem Leben, in meinem Herzen. So geht mir das immer. Also standen sie rum, liebevoll verpackt aber gefährlich wie eine Büchse der Pandora. Bloß nicht aufmachen. Vielleicht wartete ich darauf, dass meine Wohnung ihrer würdig war, oder dass ich ihnen würdig war? Egal. Da erinnerte ich mich, dass mir Susanne erzählt hatte, die Inspiration zu den zwei nackten Leibern sei eine giechische Sage gewesen, wonach die Frauen einer Stadt nackt und begeistert ihren Männern nach gewonnener Schlacht entgegen gerannt wären. Na, das passt doch. Wie fühlte ich mich den in dem Moment? Wie ein Held, ein Sieger der chemischen Kriegsführung, wie ein König in seinem Palast. Ja, so einem Heros wie mir gebührten alle Frauen. Also kräftig zugepackt, einmal umgeschaut, und schon war der richtige Platz für sie gefunden: Ganz oben über meiner Ahnengalerie im Wohnzimmer, über den Bildern von Eltern und Kindern. Waren nicht die Frauen der Ursprug von alldem? Also hoch mit ihnen, unter die Decke. Damit waren sie fürs Erste auch aus dem Schlafzimmer raus.

Und das andere Bild? Das ruhige, bescheidene, durchscheinende, wie hingetuschte Mädchen? Als ich in Susannes Atelier in Berlin-Wedding unschlüssig vor dem Bild stand, mich nicht eintscheiden konnte, welches ich nehmen sollte (ich hab sie dann beide genommen), sagte Susanne mit einem orakelhafen Lächeln: „Die wird auf dich warten, wenn du nach Hause kommst.“ Na, und worauf schaue ich, wenn ich durch die Wohnungtür komme? Auf meinen frischgeputzten Herd. Hüterin des Herdes, blau und weiß, wie eine Delfter Kachel. Die Küche war der richtige Ort für sie. Und tatsächlich macht es mich jedemal froh, auf das Bild zu schauen, wenn ich durch die Tür komme. Denn wenn mich was zufrieden macht, dann das Gefühl, dass alles seinen richtigen Platz gefunden hat. Worauf ich jetzt noch warte ist, dass die Weddinger Göre mir in ein paar Wochen sagt: „Also ick will ja nich meckern, aba hier is schon ma sauberer jewesen.“

3 Gedanken zu “Aus Chemie und Wahnsinn II

  1. Es freut mich sehr, Rolf, dass meine Frauen einen Platz in deinem Hausstand gefunden haben. 🙂
    Die Kopflosen entstammen der irischen Sagenwelt 🙂 😉
    Ich habe deinen Text gerne gelesen,
    einen schönen Vorweihnachtstag von Susanne

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