Dilletant war zu Goethes Zeiten kein Schimpfwort.“, klärt uns Susanne gleich zu Beginn ihres Kurses in ihrem Atelier in Berlin Wedding auf. Und das ist Balsam für meine Seele. Denn seit der frühen Schulzeit trage ich nicht nur den Ruf einer sportlichen Null, sondern auch den Makel eines malerischen Nichtskönners mit mir herum. Schuld war diesmal nicht meine dicke Brille oder mein blöder Bruder, sondern meine Mutter. Als wäre mein Leben ohne räumliches Sehvermögen beim Fußball nicht schon schlimm genug gewesen, hatte sie mir zum Schulstart in der Hauptschule aus Versehen keinen Deckmalkasten gekauft, sondern einen Aquarellkasten. Die Lehrerin wollte aber leuchtend bunte Farben sehen, so wie sich das damals gehörte. Kinder malen fröhliche, bunte Bilder. Aber so sehr ich auch mit dem Pinsel herumquirlte, es kam nur wässriges Gekleckse dabei heraus. Und weil man Diversität damals nicht förderte, sondern die Jugend auf Linie bringen wollte, ging ich mit einem Brief an meine Eltern und einer vier in Kunst nach Hause.
Aber es ist nie zu spät für eine glückliche Jugend. Es braucht nur die richtige Therapie. Und an diesem Samstag ist Susanne Haun meine Heilerin. Von ihren herrlichen transparenten Tuschebildern hängen inzwischen einige bei mir zu Hause. Jetzt will sie uns in ihre Geheimnisse einweihen. Tusche, Tinte und Aquarell steht auf dem Programm. Kaffee und Kuchen gibt es nebenher und reichlich, denn “Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit“. Noch so ein aufmunterndes Zitat – diesmal von Karl Valentin. Bevor wir an die Pinsel dürfen, lernen von der Pike auf erstmal alles, was zum Handwerk gehört: Papierqualitäten, den Unterschied zwischen Aquarellfarben und Tusche und dass Pinsel mit Tierhaar noch immer die besten sind. Nicht ganz Peta, aber dafür sehr nachhaltig. Staunend dürfen wir einen Rotmarderpinsel bewundern, den Susanne noch von ihrer Großmutter geerbt hat. Na, und dann geht‘s los. Erstmal mit Farbe aus der Tube, ungemischt. Viel Farbe, wenig Farbe. Ich natürlich immer zuviel und zu dick, wegen dem Kindheitstrauma. Aber so langsam wird es was. Magische Landschaften entstehen, alles fließt. Ich sehe mich schon mit Sonnenhut an der See sitzen und den Horizont aquarellieren. Oben blau unten gelb. Aber da geht noch mehr. Denn jetzt wird es wissenschaftlich. Was kommt dabei heraus, wenn wir Farben mischen? Tabellen werden gezeichnet, die verwendeten Farben aufgeschrieben und im Raum wird es muxsmäuschenstill – wie bei einer Klassenarbeit – so konzentriert sind wir bei der Sache. Irgendwann fangen wir doch wieder an zu quasseln und dann passierts: da mische ich Bordeauxrot mit Bergblau, statt mit Senegalblau und die ganze schöne Farbtabelle gerät durcheinander. Egal. Jetzt habe ich auf meiner Palette genau die Farben, um die Aquarelle von Janosch nachzeichnen zu können. Die richtigen, nicht die Tigerente. Mach ich aber nicht. Susanne legt uns Motive hin, Blumen, Steine, Seidenpapier. Und jetzt haben wir uns “freigemalt“. Werden mutiger mit den Strichen und sparsamer mit der Farbe. Ja, Farben dürfen durchscheinend sein. Manchmal reicht sogar das Auswaschwasser aus den Pinselgläsern um etwas aufs Papier zu hauchen. Danke Susanne. Wenn das meine Kunstlehrerin noch erleben dürfte.
Und euch, liebe Leserinnen und Leser, schicke ich meinen schönsten Blumengruß Ins Wochenende.
