
Ich hab mir ne Jeans-Jacke gekauft! Ne echte, von Levis. War ein Schnäppchen. Second-Hand in nem Laden der „Klamotte“ heißt. Von Susanne Haun war mir versprochen worden, dass es dort senffarbene Lederjacken gibt. Na, dachte ich: Wird bald Sommer, musste dir was Neues kaufen. Was Leichtes, für Abends zum Überziehen. Mal ne frische Farbe, Senf, das hatte ich doch schon mal, so Mitte der 90er. Aber keine weißen Socken dazu, darauf möchte ich ehrenhalber hinweisen, aber einen Schnäuzer – ja das waren schlimme Zeiten, damals. Das war so in meinem Hinterkopf, als ich so mittags mit meinem Moped (saharagelb) meine Besorgungen machte. Schönes Wetter war, die Straßen lagen zu meinen Füßen und ein wenig Übermut machte sich in mir breit. Was kostet die Welt? Schwer nur konnte ich der Versuchung widerstehen, wieder die steil gewundene Auffahrt zum Karstadt-Parkhaus hochzujaulen, wie ich es vergangene Woche erstmals geschafft hatte. Mit schlappen 3 PS unter sich fordert das schon einige Geschicklichkeit, überhaupt oben anzukommen. Dafür ist es auf dem Hochdeck wunderbar ruhig und sonnig. Beim nächsten Mal nehme ich einen Liegestuhl mit. Aber nicht heute. Ich blieb am Boden und überlegte mir zwischen Kuppeln und Schalten, wo ich meinen Mittagskaffee nehmen sollte. Schlank parkte ich mein Moped vor dem Café Leo, wo es ein bisschen nach Männerklo roch. Aber ich würde schon mein Plätzchen finden auf dem großen Leopoldplatz. Doch gabs nur Kaffee im Pappbecher. Und wie wußte mein Vater selig, der sein Leben lang Kaffee aus der Thermoskanne getrunken hatte vom Hörensagen? „Der Kaffee kann noch so gut sein, aus dem Pappbecher schmeckt er nicht.“ Also das Bein lässig wieder über den Sattel geschwungen und mit einem kurzen Kick ging’s weiter. Da lag die Klamotte vor mir. Senffarbene Lederjacken waren aus. Der Artikel von Susanne hatte einen richtigen Run ausgelöst. Aber in einer Ecke hingen Jeans-Jacken, blau und verwaschen. So was hatte ich ja schon ewig nicht mehr gesehen. Gabs aber noch. Und wenn ich mich einmal entschlossen habe, in einen Laden mit Anziehsachen zu gehen, dann muss ich auch was kaufen. Dann hab ich’s hinter mir. Und Second-Hand ist ja auch gut fürs Klima. Und überhaupt: Ein Mann wie ich kann so was tragen. Und ne schlanke Taille macht das auch, das sah ich im Spiegel sofort. Es war ein komisches Bild: Oben graue Haare, dann verwegenes Blau und darunter eine graue Anzugshose (ein fröhliches Mausgrau) Ach sag ich mir: Susannes Mann hat auch sone Jacke, und der ist auch schon über die Fünfzig. Und überhaupt: Wer hier mit seinem Stahlross die Straßen des Wedding beherrscht, der kann auch sone Jacke tragen, oder? Leider ließ der Klamotten-Mann nicht mit sich handeln, noch nicht mal einen Kaffee wollte er mir als Rabatt geben. Also nahm ich eine Cola und plauderte noch ein wenig. Ach, sie hätten ganz gemischtes Publikum, nebenan sei ein Tatoo-Studio. Und manchmal kämen sogar auch Leute über 60 und würden was finden. „Ach?“, lächle ich verkrampft und fahre mir durchs schüttere, graumelierte Haar. „Tatsächlich?“
Jetzt wird es langsam dunkel. Vielleicht kann ich es jetzt wagen mit meiner neuen Jacke eine Runde durch den einsamen Park zu drehen. Sieht ja keiner.
Lieber Rolf, ich habe mittlerweile sogar drei(!!) Jeansjacken in meinem Besitz. Die eine ist 35 Jahre alt und hat mich zu unzähligen Konzerten und Festivals begleitet, die andere ist 20 Jahre alt und ist, wie es damals üblich war, hippiemäßig bunt bestickt und die dritte ist 14 Tage alt und hat eine „trendige, zeitgemäße Waschung“. Jetzt rate mal, was meine Lieblingsjacke ist.
Viele Grüße von Rosie
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Die Neueste ist immer die Schönste, oder?
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Ja, vielleicht ist sie die Schönste. Aber meine Lieblingsjacke ist die ganz alte, weil sie so voller wunderbarer Erinnerungen steckt und stets das Kopfkino in Gang setzt, wenn ich sie anhabe.
Vielleicht fühle ich mich dann ja auch wieder jung, kann sein.
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Es freut mich, Lieber Rolf, dass du meinen Bericht als Anregung für. einen Besuch in der Klamotte genutzt und sogar eine Jacke gefunden hast. Wie so oft musste ich beim Lesen deiner Worte schmunzeln und habe dich auch direkt vor mir gesehen.
Einen schönen Sonntag von Susanne
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