In der Backstube

Die kleine „Backstube“ in der Transvaalstraße ist ein trauriger Ort. Blasse Gestalten stehen da zwischen Aufbackbrötchen, Berliner Kurier und Bier. Ein Regal mit Süßigkeiten verspricht ein kurzes Glück für die Kinder, die morgens in die Anna Lindh-Grundschule hasten.

Herein kommt ein Mädchen mit Kopftuch, etwa vierte Klasse. „Ich will von den Schlümpfen da,“ sagt sie direkt und deutet aufgeregt auf die durchsichtigen Plastikkästen in denen es Gummibärchen und anderes buntes Getier gibt. „Ich möchte“, antwortet die Verkäuferin mit deutlich osteuropäischem Akzent. „Ich möchte“, wiederholt das Kind automatisch, „und dann will ich noch fünf saure Schlangen“. „Ich möchte“, wiederholt die Verkäuferin im stoischen Tonfall einer erfahrenen Pädagogin und erntet dafür einen anerkennenden Blick von mir. „In der Schule lernen sie das ja nicht“, erzählt sie mir später. „Hier können sie in der vierten Klasse noch nicht mal zusammenrechnen was vier Schlangen für fünf Cent zusammen kosten.“ Dann zeigt sie stolz auf die Uhr, die neben der schäbigen Deutschlandfahne hängt. „Die habe ich acht Minuten vorgestellt, damit die Kleinen denken, dass sie zu spät dran sind und sich beeilen. Dann schaffen sie es noch bis um acht in die Schule.“

Max Goldt schrieb vor langer Zeit: „Was Berliner Bäcker backen, backen andere Bäcker besser“, und er hat noch immer Recht. Aber was Berliner Bäckereiverkäuferinnen jeden Tag vollbringen, das soll ihnen erst einmal einer nachmachen.

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