Es war die Verzweiflung, die sie auf die Straße trieb. In der Wohnung hatten die Geschwister einsilbig zusammen gesessen wie bei einem Leichenschmaus. Schweigend liefen sie auch durch die Sturzregen und die Graupelschauer des Berliner Frühlings. Gefühle wollte keiner zeigen. Der Osterbesuch war die Idee der Schwester gewesen, die ihre beiden Brüder wieder zusammen bringen wollte, die wollte, dass sich der Ältere sich mal seine Neffen anschaut, die bald schon in die Schule kommen . Alle taten so, als sei die Familie des Jüngeren in Ordnung, die Kinder ein Segen. Keiner erwähnte die Trennung, auch die Mutter der Kinder nicht, die das Spiel mitmachte. Dabei sahen sie sich sonst nur, wenn die Kinder mal wieder den Duschvorhang herunter gerissen hatten.
Ein weiterer Beitrag zu den abc-Etüden von Christiane. Das Format hat was, vor allem den Reiz, wieder regelmäßiger zu schreiben.
Danke dir. Ich mag das Nüchterne, was hier bei dir durchscheint.
Da/falls dich der 10-Sätze-Wahn gepackt hat: Du darfst auch gern pro Woche mehrere Etüden, ist klar, oder? Die Anzahl ist nicht limitiert. Und du kannst dir auch gern die Wörter der vorherigen Wochen schnappen, es gibt ja schon einige. Die Frage ist dabei dann halt nur, ob die jeweiligen Wortspender es mitbekommen, wenn du was nachträglich dazu postest.
Liebe Grüße
Christiane
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Wahrlich direkt aus dem Leben. Es scheint zu stimmen, dass jede(r) irgendwo eine Leiche im Keller hat… 😉 .
LG Anna-Lena
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Eine unfeine Situation fein beschrieben! Das schreckliche ist ja, dass so was schon so „normal“ ist heutzutage, dass eigentlich keiner mehr richtig hinschaut, schon gar nicht wie es den direkt Betroffenen in der Familie (der verlassene oder gegangene Elternteil mit den Kindern, die Kinder) damit geht und oft vorausgesetzt wird „Reißt euch doch am Riemen, es geht eben weiter.“ Geht es erst mal nicht, und dann kommt dieses Schweigen und diese Verzweiflung, die in lapidaren Sachen wie dem Spaziergang, den du eingebaut hast mündet. Vielleicht denkt jemand, der deine Etüde liest beim nächsten Anschweigen in der Familie mal dran und macht was anders.
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Es gibt bei uns einfach keine Worte für solche Situationen. Was soll man sagen, wenn sich ein Paar getrennt hat? Herzliches Beileid?
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Eben. Ich komme aus einer Familie, in der du dann gefragt wirst „Was hast du gemacht, dass sie/er dich beschissen hat?“ Wenn das nicht funktioniert werden auch schon mal gerne die Kinder des Paares beschuldigt. Alles nichts, das man weiter geben möchte…
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es gibt keine Worte für solche Situationen, genau so habe ich es auch empfunden.
Es ist wie ein Tsunami – die Welle kommt zweimal. Das erste Mal bei der Trennung und das zweite Mal wenn du anfängst es zu realisieren und dich die existenziellen Folgen einholen…. Auch wenn ich ein sehr gutes soziales Umfeld habe und genügend Möglichkeiten, darüber zu reden, habe ich es doch mir mit abgemacht, das heißt einfach verdrängt, totgeschwiegen. Meiner Schwester habe ich von der Trennung erst ein Jahr später erzählt…ich musste ja funktionieren, ich konnte mich diesem Schmerz gar nicht „widmen“, da war ja auch noch unser Sohn, der ebenso zugemacht hat. Eine grauenvolle Zeit und verlassen zu werden ist eine Erfahrung, die ich ihm und mir gerne erspart hätte. Vieles habe ich mir von der Seele geschrieben über ein Alter Ego – das hat geholfen.
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Ja, Schreiben hilft. Deswegen auch der Blog. Du hast das gut beschrieben mit den zwei Wellen. Gerade rollt die zweite.
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