c blog.ffc-fortuna.de
Es ist Sonntagmorgen kurz vor Neun, draußen ist es kalt und es gießt es in Strömen. Eigentlich das richtige Wetter und die richtige Zeit, um sich im Bett noch einmal umzudrehen. Aber unser Jüngster muss raus, im Kinderwagen, damit er endlich schläft, mindestens eine Stunde. In der Woche ist das der Job seiner Mutter, am Wochenende ist der Vater dran. Ehrensache. Sorgfältig bereite ich die Expedition vor. Wichtig bei allen Fahrten ins Ungewisse ist die richtige Kleidung. Schweigend ziehe ich die klobigen Doc-Martens-Stiefel an, rüste mich mit der amerikanischen Arbeiterjacke und ziehe zum Schluss die wollene englische Schirmmütze auf den Kopf. Jetzt weiß ich, dass mir Wind und Wetter nichts anhaben können, egal was mich draußen erwischt. „Willst du dir nicht eine richtige Jacke anziehen, mit Kapuze, bei dem Regen?“, werde ich von unberufener Seite gefragt. Woher will das Weib wissen, was man in der Wildnis braucht? Wie man in Würde der Witterung widersteht? In wenigen Minuten werden mein Sohn und ich auf dem Weg in den Rehberge-Park sein! Allein, auf uns gestellt. Ich werfe ihr einen stummen Blick grimmiger Entschlossenheit zu, schnappe meinen Sohn und gehe. Ein Mann muss tun, was ein Mann tun muss.
Draußen toben die Elemente. Der Wind peitscht mir den Regen ins Gesicht und schüttelt die letzten Blätter von den Ästen. Der Junge liegt wohl behütet unter seiner Plastikplane im Wagen und schläft sofort ein. Erster Teil des Auftrags erfüllt. Noch eine Stunde. Ich schlage den Kragen meiner Jacke hoch, stecke mir ein Fishermans zwischen die Zähne und schiebe westwärts, wo die Bäume warten. Durch einsame Straßen stemmen wir uns dem Sturm entgegen, bis wir endlich die große Ebene des Parks erreichen. Die Wege haben sich in Schlamm und Wasser aufgelöst, der Wind peitscht die kahlen Bäume und ich halte Ausschau. Ein Jogger kommt uns mit athletisch keuchendem Atem entgegen, der Körper ist von der Anstrengung erhitzt, die Regentropfen auf der gespannten Neopren-Haut scheinen zu verdampfen. Ein Bild von Anmut und Stärke. Dann wieder Stille. Ich wate weiter durch die Wasserlöcher, kein Umweg, immer geradeaus. Meine Stiefel halten dicht. Alles läuft nach Plan. Aus der Ferne höre ich Kampfgeschrei. Gebrüllte Befehle, Ächzen, Jubel einer Menschenmenge und Seufzer der Enttäuschung. Ein Fußballspiel, bei diesem Wetter? Ungläubig schaue ich durch die Regentropfen auf meiner Brille Tatsächlich! Wackre Männer! Kraft der Jugend. Begeistert trete ich näher. Ja, wir Männer. Nur wir können uns so im Zweikampf vergessen, so die Witterung ignorieren, uns so unbesiegbar fühlen. Während das Weib am warmen Herde wirkt, wagt der Mann den Wettkampf mit dem Wetter. Ich hier mit meinem Sohn und drüben die Jungs auf dem Platz. Wir lassen uns nicht unterkriegen von so ein bisschen Regen und Wind. Begeistert nehme ich die Brille ab, um genauer schauen zu können. Ich blinzele, schaue nochmal und erkenne mehrere Spieler mit wippenden Pferdeschwänzen. Nochmal geschaut, und ich weiß, dass es zwei Frauenfußballmannschaften sind, die dort ein Match austragen.
Nachdenklich gehe ich weiter. Meine Jacke ist nun endgültig durchweicht und ich sollte bald zu Hause sein, sonst hole ich mir wieder eine Erkältung.
Meist eine Gegnerin der Pointe, habe ich an dieser große Freude gehabt 😉
LikeGefällt 1 Person
Freut mich 🙂
LikeLike
Eine super Geschichte!
Zuerst wurde ich teilweise an Schillers „Glocke“ erinnert, deren Aussage in die heutige Zeit transferiert wurde ( der Mann muss hinaus ins feindliche Leben / und drinnen waltet die züchtige Hausfrau und herrschet weise im häuslichen Kreise…) smile*…, kam dann aber zum Schluß doch mit diesem wunderbaren „Twist“ in der Realität an.
Klasse geschrieben, toll.
Herbstgrüße von Rosie
LikeGefällt 1 Person
Na schönen Dank auch. Ich mit Schiller in einem Satz, da freu ich mich natürlich sehr. Vielleicht war die humanistische Bildung doch nicht ganz umsonst 😉
LikeGefällt 1 Person
Smile…**
LikeGefällt 1 Person
Ein Traum!
‚… Ich schlage den Kragen meiner Jacke hoch, stecke mir ein Fishermans zwischen die Zähne und schiebe westwärts, wo die Bäume warten. …‘
Dieser Satz ist episch. Und wird sofort hier implementiert:
https://knowyourgods.wordpress.com/sammelbecken/
Vielen Dank dafür!
LikeGefällt 1 Person
Du bist ein aufmerksamer Leser. Ich fühle mich geehrt. Westward ho!
LikeGefällt 1 Person