Am 30. Mai ist der Weltuntergang

Schäfchenwolken am Himmel und blühende Bäume links und rechts. Auf dem Radweg am Hohenzollernkanal das übliche Gewusel von Radfahrern, Skaterinnen und Spaziergängern. Mein Sohn radelt mit seinem Freund um die Wette. Riskant, riskant, wie sie da um die Kurvern jagen und mit den aalglatten Typen auf ihren Carbonrädern fast kollidieren. Aber was kann schon passieren? Wir nehmen ja jetzt alle Rücksicht aufeinander. In der Jungfernheide angekommen gibt es für jeden eine Bratwurst auf die Hand und für die Väter ein Bier, damit die Kraft reicht für die Rückfahrt. „Bolle reiste jüngst zu Pfingsten…“

War da nicht noch was? Sieht so ein Land im Ausnahmezustand aus? Oder kann es sein, dass gerade die Welt untergeht, und ich es nicht bemerke? Weil ich gerade nicht will, dass die Welt untergeht, oder weil ich schon so viele Weltuntergänge erlebt habe, dass ich auch dieses Mal glaube, dass es (für uns) gut ausgeht?

Nehmen wir mal die Reaktorkatastrophe in Tschernobyl, der gerade in der Ukraine gedacht wird. Waren ja komische Zeiten damals, auch bei uns. Durfte man auch nicht auf den Spielplatz, nichts  aus dem Garten essen und die Milch wurde weggekippt. Die Halbwertszeit von Cäsium 123 wurde damals von den Experten heruntergebetet wie heute die aktuellen Infektionszahlen. War schon gruselig. No Future, diesmal aber wirklich.
Was wäre wenn…  wenn es wirklich so schlimm gekommen wäre, wie wir damals gedacht haben? Die Böden in Europa verseucht, die Ernten verdorben, die Menschen verstrahlt? Nicht auszudenken. War aber nicht so schlimm. Nur Pilze aus Polen wurden eine Zeit lang gemieden. Sonst ging alles munter weiter.
Und eigentlich hätte ich selbst diesen misslungenen Weltuntergang nicht erleben dürfen, weil schon 1962, ein Jahr nach meiner Geburt, die Welt wegen der Kuba-Krise, wie man damals und seitdem immer wieder mit leichtem Schauder sagt „vor dem Abgrund stand“. (Komisches Bild, weil es ja im ganzen Universum keinen Abgrund gibt, in den die Welt fallen könnte. Komm mir jetzt bitte keiner mit schwarzen Löchern). Auf jeden Fall ist meine Mutter, als die Luftsirenen angingen, mit mir auf dem Arm in den Keller des alten Winzerhauses gelaufen, wo noch aus Kriegszeiten der Luftschutzkeller des Dorfes war. War aber blinder Alarm. Cold war kids are hard to kill.

Insgesamt, finde ich, sind die Weltuntergänge in den vergangenen 75 Jahren für uns hier in Westeuropa recht glimpflich abgelaufen. Anderswo, in Ruanda oder in Syrien haben die Menschen nicht so viel Glück gehabt. Und in Bangladesh gab es nur deswegen keinen Weltuntergang, weil dort das Leben jetzt schon so entsetzlich ist, wie wir es uns in Europa für die Zeit nach dem Armageddon vorstellen. Und jetzt steigt da auch noch der Meeresspiegel.

So, jetzt habe ich es geschafft, einen Text ohne die Worte Corona und Klopapier zu schreiben. Ich wünsche mir, noch viel von euch zu lesen, bevor die Welt dann wirklich untergeht. Das Datum ist für mich als Rheinländer schon sicher. Es wurde im Kölner Karneval schon Mitte der 50er Jahre festgelegt. Die Toten Hosen, von der anderen Seite des Rheins, haben 50 Jahre gebraucht, um den Schuss zu hören. Deshalb schreien sie so laut.

 

9 Gedanken zu “Am 30. Mai ist der Weltuntergang

    • Das stimmt. Im Park waren die Wiesen schon gelb und verbrannt. Im April! Corona vergeht, der Klimawandel wird schlimmer. Aber auch hier die Hoffnung: Nicht so schlimm wie gedacht. Schönen Tag dir.
      von Rolf

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  1. Gut gesagt! Aber war wirklich alles nicht so schlimm? Was wissen wir wirklich über die Folgen von Tschernobyl? Und ist Corona wirklich so schlimm, wie man es uns glauben machen will?
    Nachdenkliche Grüße
    Ulli

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  2. Es gab auch noch den Weltuntergang durch den 2. Golfkrieg! Weiß das noch jemand? 1990 wurde Kuweit durch Irak besetzt, und in der Welt begann die Ära der Dauerberichterstattung, Talk-Runden und Live-Streams. Wir sahen in die Bomber-Cockpits buchstäblich aufs Fadenkreuz.
    Ich weiß nicht warum, aber ich dachte damals, die Welt wird in Flammen aufgehen. Medien haben eine ungeheure Macht.
    Sieht man ja jetzt auch.

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    • Stimmt, als ich die Bilder aus Bagdad im Fernsehen sah, sagte ich zu meiner Freundin: „Jetzt wird nichts mehr so sein wie vorher.“ Das ist ja jetzt auch das, was man bei Corona sagt. Aber diesmal betrifft es unsere eigenes Land.

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      • Ja, diesmal betrifft es uns konkreter. Aber … so konkret auch wieder nicht. Ich glaube keine Sekunde dass ich an Corona sterben könnte oder jemand von meinen Lieben.
        Die Katastrophenstimmung packt mich trotzdem, wie damals beim Golfkrieg. Es fühlte sich ganz ähnlich an.
        Geht das nur mir so? 🤔

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  3. Ich glaub ja nicht so an den Weltuntergang. Vielmehr denke ich, die Welt ist auch sowas wie son Virus-dessen-Namen-ich-nicht nenne. Die mutiert immer so vor sich hin und macht et sich passend, damit se überlebt. Ab und zu musse eben auch mal en bißken Ballast abwerfen, damit se wieder an Höhe gewinnt.
    So is dat mitte Welt, nää die geht nich unter.
    Grüßle sk

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  4. Die Stimmung am Anfang der Pandemie hat mich auch an die Tschernobylkatastrophe erinnert. Niemand hatte so etwas zuvor erlebt und es herrschte große Verunsicherung. Doch nach und nach hat man gelernt irgendwie damit umzugehen.

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  5. Hallo Rolf,
    eigentlich dürfte es uns gar nicht geben, als ich im Sandkasten spielte übertrafen sich die Supermächte mit Wasserstoffbombentests…gut das damals keiner genau nachgemessen hat…wir hätten alle nicht mehr vor die Haustür gedurft…und so ging das dann weiter, diverse Kriege (alle zum Glück etwas entfernt) , diverse Viren (bis zur Vogelgrippe und jetzt Covid auch alle etwas weiter weg, Tsumami und Hirnverbrannt die Flugzeuge kapern um damit in Hochhäuser zu fliegen…verdrängt man alles schnell wieder um sich das Leben erträglich zu machen…wann ist eigentlich der nächste eng an der Erde vorbeifliegende Asteroid angesagt ? Da war doch mal was mit den Dinos….egal, sterben müssen wir alle irgendwann ( Sorry, bin gerade schwer mit schwarzem Humor gesegnet 🙂 Herzliche Grüsse aus Hamburg

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