So wie ich?

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Da lauf ich doch neulich am Gorki-Theater vorbei, und wen sehe ich? Mich! Wirklich? Na ja, nicht ganz. Was ich sehe ist ein Buchstabe aus dem kyrillischen Alpahbet. Den haben  die von mir sehr geschätzten Theaterleute (wann war ich eigentlich das letzte Mal drin?) in das Logo ihres Hauses aufgenommen. GOЯKI schreibt sich der Musentempel. Erinnert ein bisschen an die Mode, die mit der westlichen Gorbatschow-Begeisterung Mitte der Achziger aufkam. In Überschiften, die mit der Sowjetunion zu tun hatten wurde gerne ein kyrillischer Buchstabe eingeflickt, der dem lateinischen ähnlich sieht, nur eben umgedreht. Gab meistens keinen Sinn, sah aber interessant aus. So auch hier. Ein bisschen keck wirkt das. Wir haben die großen Russen und das Licht, das aus dem Osten kommt nicht vergessen, sagt das. Und es kommt nicht so trotzig daher wie das „Ost“ auf der Volksbühne. Und um die gute Marke gleich für das Tochterunternehmen zu nutzen hat die Studiobühne des GOЯKI nicht den Namen „Maxim“ sondern den Namen „Studio Я“, also „Studio Ich“ oder „Studio Ja“, je nachdem wie man es lesen will. Dieses umgedrehte R bedeutet im Russischen nämlich „Ich“ und es spricht sich „Ja“.

Und nun komm ich wieder ins Spiel. Ist die wundervolle Vieldeutigkeit dieses Buchstabens nicht Ausdruck meines eigenen Seins? Beginnt nicht mein Vorname mit einem „R“ und bin ich nicht in den Augen anderer selbst völlig verdreht (mein Vater nannte mich immer Rechtsverdreher)? Und wurde mir nicht erst aus dieser Verdrehung ein lautes, lebensbejahendes „Я“ möglich? Möchte ich nicht auch das Land der Russen mit der Seele suchen? Und möchte ich mir nicht diesen wundervollen Buchstaben auf die Brust malen, ihn herzeigen und allen sagen: Seht her, das bin ich?

Oh Gott! Das ist  doch unglaublich pubertär. Erinnert mich an die Zeit, in der alles Doppeldeutige eine tief verborgene, mystische Bedeutung hatte. In der ich mit der Erkenntnis Eindruck zu schinden versuchte, dass mein Vorname mit dem gleichen Buchstaben beginnt, mit dem mein Nachname aufhört und umgekehrt. Bin ich nie weiter gekommen, oder enwickle ich mich wieder dahin zurück?

Wenn ich mir das Я so anschaue, hängt es ziemlich alleine da, sozusagen zwischen allen Fenstern. Aber es gefällt mir so. Я, Я,das ist es wohl, was sich bei mir verändert hat.

 

 

4 Gedanken zu “So wie ich?

  1. Vielleicht gelingt es einem jungen, pubertierende Gehirn noch leichter Doppeldeutungen zu beherbergen? Vielleicht ist dort noch mehr Platz vorhanden oder mehr Mut Dinge nebeneinander stehen zu lassen, weil sie die Möglichkeit bieten unterschiedliche Wege zu gehen? Das „ich“ hängt zwischen den Fenstern… sehr schön! Nachdenkliche Grüße.

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  2. Kann nichts pubertäres an deinen Gedanken erkennen. Völlig legitime Gedanken…

    Ist das bestätigt, dass das verkehrte ‚R‘ eine Anspielung ans kyrillische ist? Es ergibt sicherlich Sinn, vor allem bezogen auf den Namen des Theaters. Ich musste an die Bedeutung eines Spiegelbildes denken und an die Bedeutung der Institution Theater, die der Gesellschaft mitunter einen Spiegel vorhält (bzw. die Gesellschaft widerspiegelt).

    Und, danke: Wieder was gelernt. ‚Ich‘ wird ‚Ja‘ ausgesprochen. Interessant!

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