Es ist gerade schwer, mich zu erreichen – nicht telefonisch, aber whatsappisch oder facebookisch. Mein altes iPhone liegt vermutlich im Straßengraben der AVUS und wartet auf künftige Generationen, die sich freuen werden, wenn sie an der verwaisten Autobahn die Wiesen durchsteifen und das zerdepperte Gerät finden. Welche wunderbare Sammlung von Gold, Silber und seltenen Erden.
Es war natürlich nicht schön, das Telefon zu verlieren, gerade mitten im Umzug, wenn Handwerker Termine vereinbaren wollen, Nachmieter den Einzugstermin und und und… Also griff ich zum nächstbesten Ersatz – ein Rentner-Handy mit großen Tasten für 25 Euro, um meine „Erreichbarkeit“ wieder her zu stellen. Und was soll ich sagen? – Mir gefällt’s!
Ein neues Telefon ist ein neues Telefon. Es riecht gut nach – na ja, frischem Lötzinn und Plastik vielleicht, auf jeden Fall neu – und es hat eine Betriebsanleitung, an der ich nicht verzweifeln muss. Es macht mir Spaß, dass mein Wissen von vor 15 Jahren mir noch nützlich sein kann. Menüs mit Pfeiltasten bedienen, die Doppelt- und Dreifach- Belegung der Zifferntasten zu erkunden – Ich fühlte mich 10 Jahre jünger, ganz in meinem Element. Und ein UKW-Radio hat es auch – da darf sich Apple mal eine Scheibe von abschneiden. In der Süddeutschen las ich neulich, dass das Wissen, das sich ein heute Fünfzigjähriger in seinen Zwanzigern angeeignet hat, heute obsolet sei, ebenso wie das Wissen, das er sich heute aneignet – das sei schon in zehn Jahren überholt. Ach, was für ein Quatsch. Ich habe mit 14 auf der Realschule einen Schreibmaschinenkurs gemacht und der hilft mir auch heute noch, Texte blind schneller zu schreiben als meine Tochter, die sich geweigert hat, dem väterlichen Rat zu folgen und sich mal auf meiner mechanischen Schreibmaschine auszuprobieren (die ich extra für sie aufgehoben hatte).
Aber das Schönste ist, dass mich mein neues Telefon in Ruhe lässt.
Kein nervöses Gewische in langweiligen Besprechungen, keine immer enttäuschten Erwartungen, dass sich irgendwer irgendwann auf einem der vielen Kanäle bei mir meldet oder meinen neuesten Blogbeitrag geliked hat. Nein, Ruhe! Nur Telefon und SMS. Und wer ruft einen heutzutage denn schon noch an? Und wer lässt sich noch anrufen? Jeder Versuch endete auf der Mailbox -bestenfalls.
Als Freund alter Motorräder weiß ich, dass es Mühe und Mut kostet ein Gerät zu betreiben, wenn die dazugehörige Infrastruktur nicht mehr da ist. Bis vor etwa 20 Jahren war an vielen Tankstellen auch noch ein Schrauber mit öligen Händen zu finden, wenn man, wie das bei der alten Technik öfter vorkam, ein Problem hatte, das über das Nachfüllen von Benzin hinaus ging. Heute gibt es manchmal nicht einmal mehr einen Luftdruckprüfer (ich weiß, weil die alle geklaut werden). Und bevor die Smartphones kamen, tat man alles, damit einen ein Anruf auch erreichte. Heute wartet man auf eine geschriebene Nachricht. Ein Anruf ist eigentlich immer unpassend.
Bis jetzt habe ich noch keinen Freund verloren durch mein Opa-Telefon, auch weil ich die Adressen, die mit dem alten Telefon verloren waren händisch von meinem Adressbuch (aus Papier) in das Telefon übertragen konnte. Auch meine Tochter, die zuerst nölte, wann ich denn endlich wieder WhatsApp hätte, hat den Weg in meine neue Wohnung gefunden. Dass die NSA nicht mehr mitlesen kann, stört mich auch nicht. Und anderen Freunden, deren Telefonnummer ich mir nicht notiert hatte, habe ich eine Postkarte geschrieben, sie sollen mich doch bitte mal anrufen. Einmal bin ich sogar bei einem Freund vorbei gefahren, um die Kontaktdaten zu erfragen. Ist doch schön, wenn man mal wieder miteinander redet.
Kann ich nachvollziehen. Und du bist nicht der einzige, mein Stiefvater hat so ein Großtasten-Notruf-Knopf-Opa-Dings von Rossmann (30€) und die Attitüde Wer was will soll gefälligst anrufen und ich stoße immer wiede auf Unverständnis oder Staunen wenn ich zum Beweis, dass ich wirklich kein Whattapp und was es alles gibt habe mein xmal repariertes, sichtbar getapedtes Nokia 9300 mit QWERTZ-Tastatur hervorhole. Das Ding war nie am Internet, wird nie am Internet sein und ist übrigens auch, so bals ich es nicht mehr „dienstlich“ anhaben muss 95% der Zeit aus.
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Manchmal ist weniger mehr 😉
Das Mehr ist hier sicher der Zeitfaktor! Was spart man an Zeit, wenn man nicht überall und ständig Mails, sms oder WhatApps erhalten und nicht im Internet stöbern kann.
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Das stimmt! Aber nicht nur. Es geht auch um die ständige Möglichkeit, sich zu zerstreuen. Ich war ständig auf Wikipedia oder Youtube unterwegs. Internet find ich gut, Handy find ich gut, aber beides zusammen macht mich verrückt.
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Ich habe mir angewöhnt, wieder ein Buch in der Handtasche mitzunehmen. Es ist eine Bereischerung. 🙂
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Ja, für das nächste Jahr kaufe ich mir auch wieder einen Moleskin-Kalender-obohl ich ihn natürlich nicht mit so lässigen Skizzen füllen kann wie du 😉
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Solange du nicht in doppelter Ausführung in Marmor kratzt 😉 😉 ist das ja auch noch transportabel.
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Mir scheint, du hast schon den neuen Asterix gelesen 😉
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Nicht den neuen Asterix, ich finde die Texte von dem verstorbenen Goscinny spitzfindiger und habe deshalb schon vor einigen Jahren ein wenig das Interesse an die neuen Asterix Hefte verloren.
Aber in Marmor wird schon von anbeginn aller Asterix Comix gekratzt! 😉
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Noch ein Vorteil bei Fast-aus-Holz-Mobiltelefonen: der Akku hält beinahe eine Woche.
Ich habe kürzlich mein altes Holz-Handy gegen ein abgelegtes iPhone meines Bruders eingetauscht und mühe mich nach Kräften, es zu benutzen, als könne es nur telefonieren, smsen und mir die Uhrzeit zeigen. Okay, auch noch wecken und fotografieren.
Das Ding will trotzdem jeden zweiten Tag aufgeladen werden und es jammert erbärmlich, wenn ich’s vergesse.
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Hallo Rolf,
da bist du ja voll cool…ein Telefon zum telefonieren…da weiss man woher das Ding ursprünglich seinen Namen herhat…und eine app die dich vor Zusammenstössen mit anderen dauersurfenden Fussgängern warnt brauchst du auch nicht…das leben kann so einfach sein 🙂
Lieber Gruss, Jürgen
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Ich weiß schon, wieso ich keins habe.
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