Die nordkoreanische Botschaft in Berlin ist ein klotziger grauer Plattenbau, über dem eine riesige filigrane Antenne schwebt. Sie erinnert mich an ein abgenagtes Fischgerippe und ich glaube nicht, dass es noch Wellen im Äther gibt, die sie erreichen. In allen Fenstern zur Straße hin sind die steifen, senfbraunen Kunstfaservorhänge zugezogen. Die Verkäuferin in der bulgarischen Apotheke gegenüber, die sich auf traditionelle chinesischen Medizin spezialisiert hat, weiß zu berichten, dass die Botschaftsangehörigen nur selten rauskommen, stets nur zu zweit Ausgang haben und kaum Deutsch sprechen.
Auch medienmäßig scheint die Botschaft von der Außenwelt und sogar von der Heimat abgeschnitten zu sein. Denn die Wandzeitung am Eingang, die sonst von den aktuellsten Besuchen des jeweiligen Kim, des geliebten Führers in mitten seiner lächelnden Untertanen berichtet, von Genossinnen und Genossen, die sehnsüchtig auf seine Worte der „Anleitung“ warten, ist seit einem halben Jahr nicht mehr erneuert.
Peyonchang? Treffen zwischen den Regierungen von Süd- und Nordkorea? Tauwetter in der Atomfrage? Hier findet das alles nicht statt. Kim lächelt, Kim durchschneidet ein rotes Band und das Volk freut sich über die erfolgreichen Tests der Atomraketen. (Sang nicht auch der westdeutsche Barde Franz Josef Degenhart in den 70ern „Komm und erzähl von Havanna, der Schönen, geschützt von Raketen aus Stahl.“? Ja, so waren die Zeiten)
Ein bisschen erinnert das an die DDR-Führung kurz vor ihrem Ende, die einfach die Vorhänge zuzuog, als plötzlich der große Bruder etwas von Umbau und Transparenz flötete. Bockig nuschelte sie etwas von: „Der Sozialismus in seinem Lauf…“
Die Nordkoreaner singen nicht, sie nuscheln nicht, sie geben sich in schweren Zeiten einem poetischen Traum hin:
Ist das nicht schön? Die Morgenröte und der doppelte sozialistische Genitiv.
Ich glaube, der nordkoreanische Botschafter wird dieses Bild erst entfernen, wenn er es durch ein Bild mit der Skyline des Frankfurter Bankenviertels im Sonnenuntergang ersetzen kann. An der Unterzeile feilt er noch. Aber vielleicht heißt sie: „Der Sonnenuntergang über der protzigen Zeil kündigt die endgültige Niederlage des menschenverachtenden Finanzkapitalismus an.“
So oder so: Wir müssen uns warm anziehen in diesen Zeiten.
Wie wahr, Rolf. Ich schließe auch mit jedem Tag einen Knopf mehr meiner Jacke und habe zur Zeit nicht die Hoffnung, dass etwas besser wird und wir wieder Knöpfe öffnen können.
Trotz allem einen schönen Freitag und viele Grüße von Susanne
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Die Verbindung zu den früheren DDR-Beamten ist bestimmt noch sehr herzlich.
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Bestimmt, die kennen das ja alles und wohnen nicht weit weg – in den Hochhäusern an der Leipziger Straße.
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Wir sollten eine UNO Resolution auf den Weg bringen und Nordkorea unter Denkmalschutz stellen…als wahre Ausgeburt einer eigentlich tollen Idee die nur komplett missverstanden und für die jeweils eigenen Herrschaftsinteressen instrumentalisiert wurde…Hauptsache mich wärmt die Sonne, das Volk interessiert mich nicht…
LG Jürgen
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Ehrlich gesagt, sind mir diese Annäherungsversuche lieber als Trumps Raketenrasseln. Vielleicht folgt das eine ja dem anderen, seitdem klar ist, dass Amerika nicht mehr als Schutzmacht vor einem Atomkrieg taugt? In jedem Fall ist reden immer besser als schießen.
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