
Natürlich wäre es heute naheliegend, den Untergang unseres Landes wie wir es kennen zu beklagen, die Zustände im allgemeinen und dass in meinem Viertel immer mehr Geschäfte schließen. Außerdem haben wir dieses Jahr die 1,5 Grad-Celsius-Marke (was ist das eigentlich in Fahrenheit?) erreicht und wenn wir das noch ein paar Jahre hintereinander machen, dann können wir uns den Rest sparen und den ganzen Laden dicht machen. Ja, ja.
Aber ich schreibe lieber über was anderes. Etwas, was mir Freude und mich nicht dümmer macht: Ich mag es, wenn sich in meinem Kopf Begriffe verknüpfen. Wenn sich zwischen dem einen enormen Halbwissen, das ich in mehr als 60 Jahren angesammelt habe (nennen wir es mal Erfahrung) und dem anderen enormen Halbwissen aus Büchern, völlig nutzlose Verbindungen ergeben. Als ich vor vielen Jahren eine Freundin in London besuchte, die an einer halbkreisförmigen Straße wohnte, die „Crescent“ hieß ging mir auf einmal wie der Halbmond auf, dass das „Croissant“ deshalb so heißt, weil die französischen Hörnchen einen Halbkreis bilden. Oder wenn ich in Berlin eine Boulette esse und denke: Das waren die Hugenotten in Berlin, die das so genannt haben, wahrscheinlich, während sie Boule spielten. In einigen europäischen Sprachen habe ich ein paar Grundkurse belegt und es freut mich immer, wenn es mir mit ein bisschen Italienisch, Französisch und Spanisch gelingt, eine lateinische Inschrift auf einem Grabstein in irgendeiner Kirche zu enträtseln. Oder mit dem Wissen über die kyrillischen Buchstaben im Russischen in einem griechischen Llidl auf Kreta eine Büchse in die Hand zu nehmen und zu entziffern, dass das, was da in griechischen Buchstaben steht „Crema Galaktika“ heißt und dann mit dem 10% Zeichen und anderen Hinweisen zu verstehen, dass das „Kondensmilch“ ist und dann einen Geistesflash zu kriegen und meinen Freund, der stoisch die H-Milch-Packungen für sein Hippie-Camp in den Wagen läd, mit der Stimme des Erleuchteten anzuhauchen: „Jetzt weiß ich warum Galaxie Galaxie heißt.“ Worauf der schwäbisch trocken und völlig unbeindruckt antwortet: „Wegen der Milchstraße natürlich.“
Wie gesagt: Dieses Wissen ist völlig nutzlos. Weder spreche ich eine der Sprachen einigermaßen ordentlich, noch arbeite ich in einem Bereich, in dem mich das weiter bringt. Es gibt bei Umberto Eco in „Der Name der Rose“ einen Mönch namens Salvatore, der alle Sprachen des damaligen Abendlandes spricht, nur leider alle durcheinander, so dass ihn keiner mehr versteht.
Aber ich brauche keine fremden Sprachen, um in meinem Hirn Verwirrung zu stiften. Mein neuster Spleen ist Sütterlin (reimt sich). In Jüterbog fiel mir im Heimatmuseum eine Anleitung für die alte Schreibschrift in die Hände, die ich noch in der Schule gelernt, aber wieder vergessen hatte. Jetzt schreibe ich mit kratziger Feder die Buchstaben auf, die heute keiner mehr braucht und kann Stunden damit verbringen, die krakeligen Briefe von Schiller zu entziffern, die ich im Netz finde (aber nur, wenn ich eine Übersetzung dabei habe). Natürlich träume ich davon, dass irgendwann der Moment kommt, an dem ich, wie der Gelehrte bei Indiana Jones, plötzlich in einem alten Tempel stehe und der einzige bin, der die alten Schriftzeichen entzifferen kann und die vergessenen Formeln kenne, um die Tore zur Schatzkammer zu öffnen, oder die Welt vor dem Untergang zu retten. Aber meistens bin ich in solchen Situationen viel zu aufgeregt, um eine Entscheidung zu treffen. Als wir in Kapadokien waren und auf dem Rückweg mit unserem Leihwagen hektisch zum Flughafen in Ankara jagten, hatte ich mir genug Türkisch beigebracht um zu wissen, dass „Yol“ der Weg heißt (gibt auch einen Film, der so heißt. Und „Bal“ heißt Honig, auch ein toller Film. Leider gibt es keinen türkischen Film der „Nein“ heißt. Das vergesse ich nämlich immer). Und die türkische Luftfahrtgesellschaft heißt „Türk Hava Yollari“, also müsste Flughafen etwas mit „Hava“ sein, sagte ich meiner Freundin, die am Steuer war. Das blöde war, dass es in Ankara zwei Flughäfen gibt. Und der große heißt natürlich „Atatürk“, (was ich nicht wusste, aber mir hätte denken können. Aber solche Erkenntnisse kommen mir nur dann, wenn ich sie nicht brauche.). Und nur der kleine wird mit Havalimanı, also Flughafen, auf den Autobahnschildern angegeben. Im letzten Moment riss die Frau am Steuer, der meine Rabulistik auf die Nerven ging und die sich lieber an der Größe der Schilder orientierte, das Steuer in Richtung Esimboga um, wo der Atatürk-Flughafen liegt und wir kriegten unseren Flieger in der letzen Minute.
Aber Kreuzworträtsel kann ich mit meinen Fähigkeiten prima ausfüllen.




