Herbei, herbei zum 1. Mai!

Ja, ja, überall regt es sich in Berlin. Aus allen Ecken bricht etwas Lebendiges hervor. Wohin man auch schaut. Ich brauche deshalb heute nicht zu einer 1. Mai-Demo gehen, um mir Menschen mit bunten Transparenten anzuschauen. Die Revolution findet auf meinem Balkon statt. Vor zwei Wochen habe ich in einem Buch ein Tütchen mit Sonnenblumensamen gefunden. Ich verstecke gerne Erinnerungsstücke als Lesezeichen in Büchern. Muss schon sechs Jahre alt sein. Ein Werbegeschenk des „Sunflower Backpacker Hostels“ am Bahnhof von Pisa. War mit dem Motorrad da. Lange her. Eigentlich zu alt für Samen. Da ist bestimmt alles tot. Aber versucht habe ich es trotzdem. Schön verteilt auf drei kleine Tontöpfe, in denen ich in den vergangenen Jahren immer mal Blumensamen mit meinen Jungs vorgezogen habe, damit sie erleben, wie neues Leben entsteht. Und was soll ich sagen? Vor meinem Fenster stehen jetzt zwei grüne Sprösslinge, schief wie der schiefe Turm von Pisa. Recordi di Italia, oder so ähnlich. Ich habe einen alten Bleistift als Stütze reingesteckt, damit sie auch „zum Lichte empor“ wachsen. So viel Revolutionsromantik muss am ersten Mai sein. Im dritten Topf tat sich lange nichts. Dann habe ich noch Ringelblumensamen vom letzten Jahr dazu gemischt. Das hat dem müden Sonnenblumenkern anscheinend einen Kick gegeben. Jetzt wächst beides in einem Topf. Das wird wahrscheinlich wieder Streit unter den Brüdern geben, denn jeder Topf ist mit bunten Glitzersteinen markiert. Und die, die nur eine Sonnenblume im Topf haben werden sich natürlich beschweren, dass ihr Bruder mehr in seinem Topf hat. Wenn es sie überhaupt noch interessiert.
Ich bin noch weit entfernt von einer grünen Revolution im Privaten, aber es bewegt sich was, das mich gleichzeitig beruhigt. Und ich hoffe, bei euch ist das auch so. Ich werd heute Abend mal meine Tochter anrufen, wie es in Neukölln war. Aber wahrscheinlich war sie nicht auf der Demo, sondern im siebten Himmel. Frühling halt.

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