
Nein, heute gibt es nichts Neues im Blog. Ist zu spät und ich habe zu viele böse Briefe geschrieben. An Leute, die noch weniger vom Fach verstehen als ich. Und das will was heißen. Außerdem war es ein grauer Tag. Ein grauer Wintertag mit Nieselregen und eiskalten Windböen wie es sie nur in Berlin gibt: Aus allen Richtungen. Das wär ja nicht so schlimm gewesen, wenn es nicht schon seit einer Woche so grau wäre, und wenn ich nicht zum Zahnarzt gemusst hätte. Und das wär nicht so schlimm gewesen, wenn wenigsten die U-Bahn gefahren wäre. Ist sie aber nicht. Die Strecke sollte schon vor einer Woche wieder klappen, aber heute seh ich wieder die gleichen müden Massen an der Ersatzbushaltestelle. (Frust kommt auf, denn der Bus kommt nicht..) Also wieder kehrt gemacht, das Fahrrad rausgeholt. Wenn man erst mal drauf sitzt, ist es ja nicht mehr so schlimm mit dem Wind und dem Regen und der Kälte. Sind ja nur 10 Kilometer quer durch die Stadt. Was nicht so schlimm gewesen wäre, wenn wenigstens alle wirklich wegen Corona zu Hause geblieben wären. Sind sie aber nicht. Alle sitzen im Auto, weil ja die U-Bahn nicht fährt und man sich im Ersatzbus den Tod holt. Inzidenz 3000 in Berlin-Mitte. Was auch nicht so schlimm gewesen wäre, wenn nicht noch die wummernden LKWs und die Martinshörner von hinten gekommen wären, was mich auch nicht gejuckt hätte, wenn es an der Müllerstraße wenigstens einen Radweg gäbe und nicht die vielen Ersatzbusse einen eingedieselt hätten. Doch auch da wäre ich schnell durch gekommen, wenn der Hinterreifen nicht die Luft verloren hätte. Also mit voller Kraft treten um mit halber Geschwindigkeit zu fahren. Aber pünktlich angekommen. Und natürlich war die Zahnärztin krank und an ihrer Stelle ein weißhaariger Vertreter im Dienst. Ich weiß nicht, aus welchem Ruhestand die Ärztekammer ihn geholt hat, aber als er mich, als ich mit Helm, nasser Jacke und beschlagener Brille ins Behandlungszimmer komme, fragt, ob ich mit dem Fahrrad da wäre, wusste ich: Das wird nix mit uns. Wir haben es tapfer hinter uns gebracht, und ich glaube, er war darüber mehr erfreut als ich. Eine Stunde später kam der Anruf, dass der Abguss nichts geworden ist, und ich morgen noch mal kommen muss. Aber das wusste ich ja noch nicht, als ich vor der Praxis stand und sah, dass das Rad natürlich endgültig platt war. Was mir aber egal war, weil vor mir jetzt der schönere Teil des Tages lag: Bergab zur Markthalle, wo ich mir immer nach dem Zahnarzt einen guten Kaffee und was Süßes gönne. („I gonna have a candy bar!“ Kennt das noch jemand aus “Little Shop of Horrors“?)
So, ich hoffe, dass ich das was jetzt kam noch einigermaßen zusammenbekomme, denn ist ja wirklich schon spät, und es war ein anstrengender Tag. Ich hoffe, das ist bis jetzt so rübergekommen. Ja, um es kurz zu machen: Dann war da diese Frau, diese Italienerin, diese Naturgewalt, diese Mama Roma. In der Marheinekehalle gibt es einen neuen Stand, irgendwas mit cuccina italiana. Da gibt es eben nicht nur allerfeinsten Cappucino, sondern auch sie! (Ich habe mich noch nicht mal getraut nach ihrem Namen zu fragen) Wie aus dem Film entsprungen, den ich gestern Abend gesehen habe. „Verliebt in scharfe Kurven“ aus dem Italien der frühen 60er mit dem jungen Jean Louis Tirtingnang (oder so, ich hab jetzt wirklich keine Zeit mehr zum Googeln), der einen schüchternen Jurastudenten spielt. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen rein zufällig. Aber der Film war schwarz-weiß. Und diese Frau war Farbe. Rot vor allem. Rotes, eng anliegendes Kleid, rot gefärbte Haare und rote Fingernägel. „Hier kommst du nur rein, wenn du grün bist.“ war der einzige deutsche Satz, den ich von ihr hörte. Und sie meinte damit meinen Corona-Test. Den Rest der Zeit verhandelte sie mit zwei Landsleuten, die ihr Ware geliefert hatten und scheuchte ihren Gehilfen durch die Gegend. Laut, wie es nur Italienerinnen sein können. Ich war ihr so dankbar. Denn durch sie war ich augenblicklich auf einer italienischen Piazza. Der Lärm, der gute Kaffee, die vielen Hände und Arme, die sie brauchte, um klar zu machen, was sie von den Männern wollte. Ich war im Urlaub, für die Länge eines Kaffees und eines panni caldo (von dem ich mich wunderte, dass sie es in den Ofen schob. Ich war zu lange nicht mehr in Italien, um zu wissen, das caldo nicht kalt sondern heiß heißt.)
Abends rief die Mutter meiner Söhne an und fragte, ob wir Ostern nicht einfach eine Woche verschwinden könnten. Egal wohin. Die Kinder würde sie an ihre Mutter verschicken. Ja, sagte ich, gern. Mailand oder Madrid: Hauptsache Italien. Sie kannte den Witz nicht.
Italien!
Die große Sehnsucht der Deutschen 🙂
Wir haben uns gerade unsere Fotobücher, die wir bei Pixum mit unseren Italienfotos gemacht haben, angeschaut.
Ich freue mich auf die Zeit, wenn Reisen wieder unkompliziert wird.
Soll es bei euch denn nun Spanien oder Italien werden?
Einen schönen Tagesbeginn von Susanne
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Ja, bei Italien sind wir uns einig 😉 Da bin ich gerne deutsch. Und außerdem ist mir eingefallen, dass ich ja im Herbst 2020 noch bei der Abschlussfeier meiner Tochter in Venedig war. Aber Venedig ist ja was Einzigartiges, das zufällig in Italien liegt. Wir wissen noch nicht, wohin es gehen soll, und ob wir genug Urlaub haben. Aber ich freu mich schon, auf mein erstes Mal Schlangestehen im BER.
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Wir haben uns tatsächlich spontan entschlossen, im Juni für eine gute Woche nach Irland zu fliegen. Ein Kollege (Utz Benkel von den Kalendern) hat eine gemeinsame Reise auf seiner Homepage angeboten https://utz-benkel.de/irlandreise . Ich bin froh, wenn ich dieses Jahr keine Reise organisieren muss, und so schließen wir uns einfach an. Zurzeit warten wir auf die Bestätigung unserer Flüge. Bin auch gespannt, wie das Schlangestehen am BER so ist, wir sind bisher noch nicht von dort abgeflogen.
Dieses Jahr also kein Italien?
Naja, das Jahr hat ja viele Tage und mal sehen, was es bringt.
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So sitze ich nun auf meinem „Literaturstudiensofa“ bei deutschem Kaffee und Morgenmüsli. Dabei kann ich in ein friedliches kleines Dorf sehen, in dem der alltägliche Klein-Straßenkampf noch ruht. Hinter mir die braun angelaufenen Wälder, in denen ich stundenlang laufen kann, aber noch nie einer Italienerin begegnet bin. Darum schwanke ich jetzt zwischen Sehnsucht nach Berlin oder Mitleid mit einem geplagt-getriebenem, der nur in einer cuccina seine Rettung findet. Allerdings lockt schon der allerfeinste Cappuccino der auch für mich ein Dorf- und Bergersatz wäre..es sei denn er steht in einem kleinen Dorf in den Abruzzen. Irgendwie liebt ja (hoffentlich bald jeder) sein Fatum: die ewige Wiederkehr der ähnlichen TraumataTräume.
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ja, schreckliches Wetter, Kriegsangst, täglich überprüfen, ob ich noch was rieche, aber eben ein körperwarmes Ei aus dem Nest geholt. Man wird bescheiden.
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„Verliebt in scharfe Kurven“ – ein schöner Film, der im Original auch nicht so einen blöd-anzüglichen Titel hat, sondern übersetzt „Das Überholmanöver“ heißt. Tragischer Schluss: bei edeben dem titelgebenden Überholmanöver kommt der junge Held um – – – aber das weißt Du wahrscheinlich alles längst —- egal, prima Text!
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Ach Italien, Sehnsuchtsort.
Was habe ich mich gefreut, dass beim nicht sehr ernsthaft gemachten Gentest zum französisch-deutschen Gemisch und etwas jüdisch noch 5% Italien rauskamen.Da beide Eltern aus ehemals römischen Siedlungen kommen, eigentlich kein Wunder.
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Holla, es gibt ein jüdisches Gen? Wenn ich mir die Bilder meiner Großmutter anschaue, könnte sie auch in Sizilien gelebt haben. Im Rheinland ist ja einiges durcheinander gekommen. 😎
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Es gibt Gene, die in bestimmten Populationen gehäuft auftreten. Man kann so sagen, wo heute die Menschen leben, die bestimmte Gene haben. Bei mir ist es halt Baden Württemberg, Lothringen, Burgund, Italien ohne genaue Ortsangabe und eben Israel.
Wenn Du magst: bei Tiktok gibt es Videos über Leute, die gerade ihren Gentest auspacken. 23andme heißen sie. Ich möchte jedem rechten Schreihals, der vom Deutschtum faselt, einen solchen Test empfehlen. Aber dazu gehörst Du ja nicht😊.
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[…] Herr Kafka trifft eine atemberaubende Italienerin. Aber davor macht er einiges […]
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