
Tage drei bis fünf: Ruhig, nicht gut, nicht schlecht. Wenig Yoga und ein gutes Buch (Michael Degen: Es waren nicht alle Mörder, hab ich im Bücherregal hier gefunden). Spazieren gehen und über Vergänglichkeit nachdenken. Schön ist dieser Ort, in seiner bunt zusammengeflickten Einfachheit. Die Barracken aus DDR- Zeiten, die großen alten Bäume, das verfallende Bootshaus am See. Lange geht das hier nicht mehr. Die Betreiber haben es 30 Jahre lang geschafft, Aussteiger, Berliner Yogis, Jugendgruppen und Urlauber mit Wurst auf dem Grill nebeneinander leben zu lassen. Jetzt sind sie alt. Die großen Bäume vor dem Haus, in denen ich bei meinem letzten Fasten im Frühling noch die Hummeln brummen hörte, mussten schon gefällt werden. Es regnete schon immer wenig in den Klapperbergen, jetzt fast gar nicht mehr. Die Hütten sind morsch und im Dorf nebenan hat sich der „König von Deutschland“ versucht breit zu machen (Aber das Volk wehrt sich). Ein Trost ist die Gruppe. Einige kenne ich schon lange, denn ich mache das schon seit 10 Jahren, andere sind neu. Mit einigen kommt man ins Gespräch, andere wollen ihre Ruhe, aber alle sind freundlich und respektvoll zueinander. Alle helfen in der Küche (für Tee, Saft und Fastensuppe). Keiner spricht über seine Arbeit. Alle sprechen übers Essen. 🙂
Sechster Tag: Ich fang jetzt nicht an mit: „Überirdisch schöner Tag!“, oder so. Aber es war schon besonders. Bei vielen in der Gruppe merkte man heute entspannte Gesichter und Theo, mit dem ich gestern auf der Terrasse saß und der mir sein Leben erzählt hatte, meinte, der Tag sei zu schön, um heute mit dem Auto in die Sauna zu fahren. Tatsächlich war alles ganz strahlend hell und der Himmel blitzeblau und die Luft mild. Wir waren beide mit dem Rad angereist. 10 km waren es bis zur Sauna in der alten Mühle, flache Strecke, das konnte ja nicht die Welt sein. Aber unsere Muskeln kriegten keinen Schwung, keine Kraft mehr und der Mund war trocken. Es war eine Quälerei. Und blöderweise kamen mir bei der Schinderei die KZ-Häftlinge in Ravensbrück in den Kopf, die auch ohne was im Bauch Schwerstarbeit leisten mussten. Dieses Gefühl der Schwäche allein ist schon entwürdigend, das kann ich jetzt nachvollziehen. Da braucht es keine Schikane durch die Aufseher mehr. Eine Stunde haben wir über Holperpflaster und Sandpisten, vorbei am leeren Dorf-Konsum, durch die weiß blühenden Strauchalleen bis zur Mühle gebraucht. Aber wir haben es geschafft, ohne stehenzubleiben. Beim Zähne zusammenbeißen bin ich gut, übe ich jede Nacht.
An der Sauna waren schon die Andern, die mit dem Auto gefahren waren, und lobten unseren Heldenmut. Ich war erst einmal so erledigt, dass ich mich draußen auf eine Bank in die Sonne legte, bis das Leben in meinen ausgepumpten Körper zurückkam und sah dann zu, wie einer nach dem anderen aus der Sauna in den eiskalten See sprang. Nachdem ich mir einen kleinen Spaziergang gegönnt und mir Galloway-Kälbchen auf der Wiese angeschaut hatte, war ich wieder soweit, dass ich mich eine Runde in die Sauna trauen konnte. Ich wollte Teil der Vertrautheit sein, die durch den gemeinsamen Saunagang entsteht. Es war gut und die Haut prickelte danach im kalten See. Mutig entschieden wir uns, auch für die Rückreise die Fahrräder zu nehmen, obwohl wir sie hätten ins Auto stellen können. Es lief wunderbar! Neue Kraft, als hätten wir durch die Quälerei eine Barriere durchbrochen. Abends zurück setzte unser Yogalehrer sich zu mir auf der Treppe vor dem Gutshaus. Wir sprachen über Astralkörper. Und ich war sein geduldiger Schüler im goldenen Schein der untergehenden Sonne, die auf seine goldorange Jacke und unsere geröteten Gesichter fiel. Aber ich glaubte ihm kein Wort. Ich habe wirklich versucht ihm zu folgen in die Sphären der Phänomene, die sich nur in Sanskrit ausdrücken lassen, in seinen Glauben, dass Kali-Yuga, die Zeit der Verblendung, schon seit 300 Jahren seinen schlimmsten Punkt überschritten hat…. Aber ich merke, dass ihm dieser Glaube Energie gibt, die Energie, hier 20 Leute ohne etwas zu Essen, nur mit Lächeln, Rumpfbeugen und Mantrasingen eine Woche glücklich zu machen. Und das ist ja nicht Nichts.











Letzter Tag: Oh Gott! Bin ich energiegeladen! Bin seit heute Morgen um sechs Uhr unterwegs. Habe heute früh sogar die „Aufladeübung“ mit dem Lehrer im Freien und bei kaltem Wind hinter mich gebracht. Nach dem Abschied von der Gruppe und der Idylle in der Uckermark heute früh bin ich noch 20 km mit Gegenwind und Gepäck nach Fürstenberg geradelt. Hab wieder meinen Kräutertee im Bahnhofscafe getrunken (und die Frau hinter der Theke hat sich gemerkt, dass ich Honig in den Tee haben will!), habe zu Hause alle meine Sachen gewaschen (beim Fasten riecht man nicht gut), habe ein langes Bad genommen, habe und danach auch noch die Fotos, die großartigen, die ich von jedem und jeder in der Gruppe gemacht habe, sozusagen als Hoffotograf unseres Lehrers, bearbeitet und an die Anderen verschickt. Jetzt ist es 11 Uhr abends und ich komme nicht zur Ruhe. Ich bin biegsam wie ein junger Löwe und habe gerade auch mal keine Schmerzen nirgends. Schön! Ich hab keinen Hunger aber ich will essen. Beim Anblick von Knäckebrot werde ich sehnsüchtig. Aber sind erst die „Aufbautage“. Noch zwei Tage mit Süppchen Salat und Buttermilch, dann darf ich wieder richtig essen. Schlafen kann ich nicht, nicht daran zu denken! Ich mache das Handy an. Wikipedia, Suchbegriff: Yoga. Und da steht alles, alles, was ich bisher nicht verstanden habe. Ganz einfach erklärt. Wenigstens für eine Nacht bin ich erleuchtet – zumindest vom Display meines Smartphones.
Ein Farewell to Yoga, war diese Woche, zumindest von den sportlichen Übungen des Hatha-Yoga. Aber ein Hallo zu Fasten, zu dieser Gruppe, die ein bisschen meine Familie geworden ist. Alles freiwillig, einmal im Jahr, immer ein paar Neue und immer ein paar Erfahrene. Und ich bin ein Teil davon.












